Königlicher Besuch

Wenn man nach sächsischen Königen fragt, wird August der Starke, also Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen und als August II. König von Polen, meist an erster Stelle genannt. Er regierte unser Sachsen von 1694 bis zu seinem Tode im Jahre 1733 und war als Förderer von Kunst und Architektur weitaus bekannt. Viele berühmte Bauwerke, die uns noch heute beeindrucken, ließ er während seiner Amtszeit errichten, den Zwinger, die Frauenkirche, Schloß Pillnitz und Moritzburg. Pöppelmann war sein Architekt. Die Künstler Dinglinger und Permoser hatte er sich nach Dresden geholt. Der "Goldmacher" Böttger war sein Gefangener und erfand 1708 das Meißner Porzellan. Dresden erblühte unter August I. zu einer prachtvollen barocken Residenzstadt.

Seine wirklich große körperliche Kraft und viele Frauengeschichten machten ihn zum August "den Starken", zum wohl berühmtesten Wettiner.

Daß er und seine Nachfolger nicht nur zu Jagdausflügen, sondern auch offiziell hierher in unsere nähere Umgebung zu Besuch kamen, ist nur wenig bekannt. Aus den "Historischen Notizen" des Joseph Heinrich Schell (1747-1830), Mechanikus und Kupferschmied in Annaberg können wir dazu einige interessante Einzelheiten erfahren:

"Den 25. Mai 1705, als der König von Polen und Kurfürst zu Sachsen, hier durch Annaberg und hinein nach Karlsbad zog, wurde es sehr kalt und fing selbigen Tag an zu schneien. Als der König nach Wiesenthal kam, erstaunte er und sein Hofstaat über den vielen Schnee zu dieser ungewöhnlichen Zeit .... Es war allda, als wenn es mitten im Winter wäre, und hat bis zum 8. Juni beständig angehalten."

"Den 29. Juni 1708 kam Kurfürst August der Starke, nach Bärenstein und begab sich mit seinen Ministern auf den Berg, um sich gemeinsam umzusehen. Nachmittag kamen dieselben nach Annaberg. Bei Herrn Amtsverwalter Rubner hielten sie am anderen Tag, den 30. Juni, Offeurtafel. Es wurden acht der schönsten Frauenzimmer in der Stadt ausgesucht, die bei der Königlichen Tafel die Aufwartung hatten, ...

Dann besahen sie die Kirche und begaben sich auf den Pöhlberg, von da ins Schießhaus, woselbst sie zum Vergnügen etliche Mal geschossen und scharf getroffen haben."

Diese hölzerne Schießscheibe, auf die einst Kurfürst August der Starke geschossen und "einigemale scharf getroffen hat" war in den 30iger Jahren noch im Besitz der Annaberger Freischützenkompanie vorhanden (TAW 1935). Sie trug folgende Inschrift: "Im 1708. Jahr schrieb man, als zugegen war König Friedrich August, welcher schoß auf meine Brust, wie ihr hier die Schüsse sehet; mag Gott daß es ihm wohl ergehet !

 

Auch der Tod des sächsischen Kurfürsten hinterließ Spuren in Annaberg: "Beim Tode des Königs von Polen und Kurfürsten zu Sachsen wurde im ganzen Land jeden Tag eine Stunde mit allen Glocken geläutet, dabei geschah zu Annaberg am Sonntag, den 15. Januar folgendes Unglück: Es gingen jedesmal viele Menschen während dem Läuten auf den Turm, besonders sonntags. Da geschah es, daß der Glockenboden einstürzte und beinahe 50 Personen mit herunter stürzten, wobei 26 Menschen beschädigt wurden. Einige hatten ein Bein, etliche den Arm gebrochen, die anderen waren meist nur leicht beschädigt. Einer von der reitenden Garde, der Hutmacher Strobel, blieb mit seinen großen Stiefeln und Sporen ohne Schaden zu nehmen oben hängen. Nur eine Person ist von den vielen Beschädigten gestorben. Eine Jungfer war am Leibe an einem Orte verletzt, den einen Chirurgen zu zeigen und sich heilen zu lassen sie sich schämte, und so starb sie eine Woche hernach."

Sein Sohn August II. setzte das Werk seines Vaters fort. Er gilt als Begründer der Gemäldesammlung. Er regierte bis 1763.

Sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich August III., erhob Sachsen zum Königreich und regierte es 1763 bis 1827. Er war der Wettiner mit der längsten Regierungszeit und er führte die Landesfarben Weiß-Grün ein. Als König August I., der Gerechte, brachte er Sachsen einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Er und seine Frau weilten mehrfach zu Besuch in Annaberg und Umgebung.

Der erste verlief nicht ganz ohne Schwierigkeiten und wird im Detail so geschildert:

"Im September des Jahres 1773 hatte Annaberg die Freude, daß dieselbe einen hohen Besuch bekam, Ihro Durchl. den Kurfürsten zu Sachsen, unsern gnädigen Herrn, nebst dessen preißwürdige Frau Gemahlin und Ihro königliche Hoheit, die verwitwete Frau Mutter, die Kurfürstin.

Höchst dieselben kamen den 2. September früh 8 Uhr [mit der Pferdekutsche aus Dresden ?!] und geruhten bei Bürgermeister und Akzisinspektor Wex abzutreten und daselbst das Frühstück einzunehmen; von da war das erste unsere schöne Kirche zu besehen ... Unser gnädiger Kurfürst verfügte sich von da auf den Pöhlberg zu Pferde. Als er die Anhöhe bald erreicht hatte, gaben die Freischützen oben auf dem Berg eine Salve. Von dem Knall erschrak das Pferd und machte einen Quersprung, doch zum Glück zügelte Herr Inspektor Wex das Pferd, daß sie nicht herab stürzten. Die große Menge Menschen aber die es sah, erschrak gewaltig. Es wurde sogleich Befehl gegeben, daß nicht mehr geschossen werden sollte."

"Dienstag, den 18. September 1787, Abend um 6 Uhr, ist die Kurfürstin wieder von Karlsbad nach Annaberg gekommen ... Als sie ankam, sind am Tor etliche 100 Bürger mit Musikanten gestanden und präsentierten das Gewehr. Auf dem Markt sind die Soldaten gestanden und des Tages zuvor haben sie vom Regiment aus Chemnitz sämtliche Hoboisten kommen lassen. Die Bergleut mußten sich um 4 Uhr mit ihren Grubenlichtern auf dem Schreckenberg verfügen. Um 8 Uhr ging der Bergaufzug an. 300 Bergleute mit brennenden Grubenlampen zogen vom Berg herab. Unten bei der Brücke waren Musikanten mit Trompeten und Pauken, welche voraus gingen. Der Zug kam zum Frohnauer Tor herein. Beim Logie der Kurfürstin sangen die Schüler und war Musik. Im Junghansischen Hause und im Garten im Lusthaus brannten 300 gläserne Lampen, der Kurfürstin ihr Name war im Lusthaus illuminiert. Ihro Durchl. haben großen Wohlgefallen und Freude darüber gehabt.

Man sieht also, daß bei hohem Besuch schon damals recht großer Aufwand betrieben wurde und gewisse Ähnlichkeiten zur heutigen Zeit zweifelsohne vorhanden sind. Bestimmt waren auch Königswalder Bürger unter den Schaulustigen, den königlichen Besuch zu bestaunen ...

 

Wolfgang Süß

26. Juni 2000

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