Die "Blechmühle" in Königswalde

Die Blechmühle gehört nachweislich zu den ältesten Gebäuden in Königswalde und sie ist die einzige ehemalige Mühle im Ort, wo sich heute noch ein Mühlrad dreht ! Wir finden sie schon auf dem Ortsbild von Häßler 1725.

Sie entstand aus einem Kupferhammer, der schon im 16. Jahrhundert hier nachweislich ist. Die Kupferhämmer von Königswalde müssen im Zusammenhang mit den reichen Kupferfunden am Pöhlberg, auf der Grube St. Briccius, gesehen werden. Von 1469 bis 1483 wurden hier etwa 4000 Zentner Kupfer gefördert und in einer Schmelzhütte unten an der Pöhla verarbeitet. Die Kupferhämmer, „der Hammer“, am unteren Ortsende, und die „Blechmühle“ verarbeiteten dieses Kupfer zu Blech.

Für den Kupferhammer „Blechmühle“ ist 1548 ein Hans Flicker verzeichnet, der zu Michaelis 8 Groschen Erbzins an des Amt Schlettau zu entrichten hatte. Daß es ehemals ein Kupferwalzwerk gewesen sei, wie an der neu außen angebrachten Tafel zu lesen ist, kann natürlich nicht ganz stimmen: Walzwerke gibt es erst seit Ende des 18. Jahrhunderts. Zuvor wurden Bleche ausschließlich gehämmert !

Doch dann kaufte 1550 Christoph Uthmann, der Besitzer der Kupfergrube und Schmelzhütte am Pöhlberg, von seinen Verwandten die Saigerhütte und den Kupferhammer in Grünthal bei Olbernhau. Mit dem Saigern konnte aus dem Kupfererz der hohe Silberanteil ausgeschmolzen werden. Ein gewinnbringendes Verfahren für die Uthmanns ! Außerdem hatte er sich ein Privileg verschafft, wonach alle Kupfergruben im Erzgebirge ihr Erz zu einem vom Landesherrn festgesetzten Preis an ihm abtreten mussten ! Damit entwickelte sich der Kupferhammer Grünthal zum Zentrum der Kupferverarbeitung in Sachsen. Hier wurde das begehrte Dachkupfer gehämmert. Der Dresdener Zwinger, das Ulmer Münster, der Stephansdom in Wien, über 400 bedeutende Gebäude in ganz Europa tragen bzw. trugen Grünthaler Dachkupfer (erst 1847 wurde auch hier ein Kupferwalzwerk in Betrieb genommen).

Das Kupfererz wurde nun nicht mehr hier unten an der Pöhla ausgeschmolzen, sondern nach Grünthal gefahren. So hoch war der Gewinn durch das zusätzlich gewonnene Silber, daß sich sogar dieser weite Transport lohnte ! Und es war das Ende der beiden Königswalder Kupferhämmer.

Bereits nach 1612 wurde der untere Hammer zum Eisenhammer umgebaut und auch in der gleichen Zeit muss aus dem anderen Kupferhammer, der späteren Blechmühle, eine Getreidemühle entstanden sein. Denn schon auf der „Öder-Karte“ um 1616 ist an ihrem Standort unterhalb des Ratsgerichtes „Jacob Siegels mül 2 geng“, also eine Mühle mit 2 Mahlgängen, eingezeichnet !

Schon eine recht bedeutende Mühle. Eine Mühle mit 2 Mahlgängen ! Sie muß bei der damaligen Technik ja auch 2 Wasserräder besessen haben. Die Festigkeit der hölzernen „Getriebe“ reichte nicht aus mehrere Mahlgänge gleichzeitig anzutreiben.

Ein Mahlgang besteht aus zwei übereinander Boden der „liegenden“ runden Mühlsteinen. Der untere, der Bodenstein B, lag fest verankert auf dem Mahlstube. In seiner Bohrung war eine runde Eisenachse senkrecht und drehbar gelagert, das Mühleisen. Das wurde übers Getriebe im darunter liegenden Stockwerk vom Wasserrad in Drehung versetzt. Am oberen Ende des Mühleisens saß quer ein rechteckiges Eisenstück, die Haue. Sie greift wie ein Mitnehmer in den oberen Mühlstein, den Läufer L, ein und versetzte ihn in Drehbewegung.

Die beiden Mahlsteine wurden meist aus Sandstein geschlagen. Haltbarere Steine waren aus Basalt. Die weitaus besten waren aber die aus Quarzit, die „Franzosen“ genannt wurden, weil sie aus Frankreich kamen. Nur wohlhabende Müller konnten sich diese besseren Steine leisten. Von Zeit zu Zeit mußten die Mahlsteine nachgeschärft werden.

Mühleisen und Haue waren neben den Zapfen des Wasserrades eigentlich die einzigen Eisenteile des Mahlgangs und in der damaligen Zeit für den Müller sehr wertvoll. Sie hielten den Läufer über dem Bodenstein sozusagen in Schwebe. Beide durften sich nicht berührten! Mit einem Hebel A am unteren Lager H des Mühleisens, dem "Aufhebzeug" lies sich der Abstand zwischen den Steinen regulieren, konnte der Läuferstein angehoben oder abgesenkt werden. Später war hier eine Gewindespindel zum Verstellen angebracht, mit der man den Luftspalt zwischen Boden- und Läuferstein, den Mahlspalt, einstellen konnte.

Das durch die Mittelbohrung (Mahlauge) des drehenden Läufersteines aus dem Rüttelschuh R einrieselnde Getreide geriet zwischen die Steine, wurde dort von den aufgebrachten Furchen in den Mühlsteinen zerschnitten und, je weiter es durch die Fliehkraft nach außen zum Rand der Steine gelangte, immer feiner zermahlen. Der ganze Mahlgang ist von einer Holzeinfassung umgeben, der Zarge oder Bütte, wo das Mahlgut aufgefangen wird, das dann durch das Ausfallloch in den Mehlsack gelangt. Wichtig war ein möglichst gleichmäßiger Ablauf beim Mahlen, schon beim Zuführen des Getreides über die gleichmäßige Drehung des Läufersteines durch das Wasserrad bis hin zu einer guten Lüftung des Mahlgangs im Mahlspalt um Feuchtigkeit und beim Mahlen entstehende Wärme abzuführen.

Anschließend mußte das Mehl von Hand ausgesiebt werden, eine mühsame Arbeit. Später wurde hierfür eine einfache Vorichtung geschaffen, die das Sieben mechanisierte, das sogenannte Beutelwerk. Dabei rieselt das Mahlgut aus der Zarge gleich durch einen ofenrohrdicken Leinenschlauch, der diagonal in einen Kasten eingespannt ist. Dieser „Schlagbeutel" wird vom Getriebe über die Rüttelgabel geschüttelt, damit das Mehl durch das Gewebe in den Kasten fällt. Die übrig gebliebene Kleie kommt am Ende aus dem Schlauch durch ein Loch in der Wand dieses Kastens, das meist mit einer Fratze versehen war, dem sogenannten Kleiekotzer, einem Sinnbild des Mühlengeistes, der den Mahlgang vor bösen Einflüssen schützen sollte. Die zurückgebliebene Kleie wurde meist noch mehrmals in den Mahlgang geschüttet, um die letzte Spur Mehl herauszuholen. Mit so einem Mahlgang konnten am Tag, je nach vorhandenem Wasser, 3 - 5 Malter Getreide gemahlen werden, d.h. 350 - 450 kg je nach Getreideart.

Die Mühlen in Königswalde hatten eine große Bedeutung auch für die Versorgung der Bevölkerung von Annaberg. Besonders als die Bevölkerungszahlen durch das Berggeschrei enorm und schlagartig anstiegen, gab es einen großen Lebensmittelbedarf. Das Getreide musste sogar aus Böhmen herangeschafft werden. Weitere neue Mühlen entstanden in dieser Zeit in unserem Ort. 9 Mühlen sind es schon 1573 gewesen. Nur noch Mildenau hatte ebenso viele Mühlen ! Typisch war, daß diese Mühlen auch zugleich eine eigene Bäckerei betrieben und ihr Brot hier und in Annaberg auf dem Markt selbst verkauften.

Die Besitzer der Blechmühle waren:

1842 Carl August Martin

1853 Johann Gottlieb Oehm

1875 Friedrich Wilhelm Böttrich

1876 Heinrich Wilhelm Weisbach

1895 Albin Luis Mühlig

1917 seine Frau Marie Mühlig

1934 Erich Mühlig

1975 wurde die Mühle und Bäckerei „Blechmühle“ geschlossen.

1980 übernahm sie Siegfried Mühlig als Eigentümer, der sie 1993 an seinen Sohn Jens Mühlig weitergab.

Jens Mühlig begann 1998 mit der Sanierung und Ausbau der Mühle zur Schauanlage. Zuerst wurde das alte defekte Wasserrad, das noch mit Blechtaschen ausgerüstet war, ersetzt. Dietmar Seidler baute dafür 1998 ein neues oberschlächtiges Wasserrad vollständig aus Holz. Auch der Freifluter wurde erneuert und mit Kupferblech ausgeschlagen. Leider ist der alte Mahlgang nicht mehr vorhanden. Er mußte schon seit langem einem sogenannten Walzenstuhl, in dem das Getreide zwischen zwei horizontal rotierenden Stahlwalzen gemahlen wird, weichen.

Vom Wasserrad wird die Bewegung über hölzerne und eiserne Zahnräder auf die Transmission übertragen. Nahezu lautlos dreht sich das Getriebe. Auf dem Mahlboden stehen noch einige alte Maschinen, die damit angetrieben wurden: eine Schrotmaschine, Sichtmaschine, Schälmaschine und eine Mehlmischmaschine aus Holz. Auch eine originale Werkstatteinrichtung und ein interessanter Fahrstuhl ganz aus Holz, mit dem die Mehl- und Getreidesäcke in die oberen Stockwerke befördert wurden, sind noch vorhanden. Auch er wurde über die Transmission vom Wasserrad angetrieben, ebenso der alte Generator, der das hauseigene 110-V-Netz speiste. Etwa 6...8 PS bringt das Wasserrad an Leistung.

Bei Wasserknappheit konnte ein mächtiger Einzylinder DEUTZ-Dieselmotor oder ein Elektromotor (mit Netzeinspeisung) zum Antrieb der Mühle eingesetzt werden.

Die Mühle kann jedes Jahr zum „Mühlentag“, das ist immer der Pfingstmontag, oder auch zum „Tag des offenen Denkmals“ (immer Anfang September) besichtigt werden.

Ob nun der Name „Blechmühle“ daher rührt, daß sie ein ehemaliger Kupferhammer war, oder daher, daß sie einst als einzige Mühle mit einem Blechdach bedeckt gewesen sein soll, läßt sich heute kaum noch ergründen !G

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im Sept.2004

 

zurück zur HOMEPAGE