Fuhrmannsgeschichten
Vor dem Bau der Eisenbahnstrecken
lag der gesamte Personen- und Gütertransport „auf dem Rücken der Pferde“. Mit Karren, Ochsen- und Pferdewagen, ab ca. 1700 auch mit Postkutschen, vollzog sich auf schmalen unbefestigten Wegen der „Straßenverkehr“. |
Auch die Streckenführung war oft anders, als wir
sie heute kennen. Eigentlich könnte man denken, daß gerade die
Flußtäler, mit ihren geringen Steigungen ideal dazu geeignet
seien, ihnen mit Wegen zu folgen. Doch es ist gerade umgekehrt
gewesen !
Die alten Fernverbindungen verliefen auf den Höhenlagen. Die
Flußtäler wurden generell gemieden. Zu groß war die Angst der
Fuhrleute auf weichem Grund im Schlamm steckenzubleiben.
Außerdem hätte man viele kleine Nebenbäche überqueren
müssen. Viel günstiger waren die Höhenzüge längs der
Wasserscheide zwischen den Flußtälern. Auch war wegen der
besseren Umsicht die Gefahr von Überfällen auf den Höhen
geringer. Das auf und ab der Höhenwege nahm man dafür in Kauf.
Natürlich mußten auch Flußtäler überwunden werden. Die
Flüsse wurden an Stellen überquert, wo das Flussbett breit,
flach und steinig war, an den Furten. Alle Fuhrleute kannten
diese Stellen. An den Furten entstanden auch die ersten
Ansiedlungen. Zum Beispiel entstand Zschopau an der Furt über
die Zschopau an der alten Handelsstraße durch den Miriquidi von
Halle nach Prag. Viele hundert Jahre später sind meist an diesen
Stellen die ersten Brücken errichtet worden !
Auch in unserer unmittelbaren Umgebung können wir diese alten, für uns heute eigentlich unverständlichen Grundsätze der „Verkehrsführung“ unserer Vorfahren sehr gut nachvollziehen: Unsere älteste Straße führte als „Böhmischer Steig“ über Halle-Altenburg-Glauchau-Zwönitz-Dörfel-Frohnau-Buchholz-Cunersdorf-Königswalde-Grumbach-Schmalzgrube-Satzung und traf hier auf die von Wolkenstein kommende Verbindung nach Prag. Diese „Hauptstraße“ existierte schon vor der Besiedlung unseres Ortes !
Genau an der flachsten und breitesten Stelle durchquert sie unser Tal. Genau dort, wo wir jetzt über die Amtsgerichter Brücke fahren, war die Furt durch die Pöhla. Hier ist auch die Keimzelle für die Besiedlung unseres Ortes. Hier an der Furt über die Pöhla ließen sich die ersten Siedler im Pöhlatal nieder, hier auf der östlichen Seite der Furt über die Pöhla wurden die ersten Häuser errichtet (Lichtenhain).
Nach der Furt ging es kerzengerade und steil den Ratsgerichter Weg wieder hinauf auf die Höhe nach Grumbach, über Schmalzgrube nach Satzung usw.. An solchen steilen Berganstiegen mußten sich die Fuhrleute durch mehrspänniges Umspannen gegenseitig helfen. Später entstanden dort die „Ausspannen“, die ersten Rasthäuser. Das Amtsgericht, die Morgensonne oder der Blechhammer und Königslust oben am Kühberger Berg sind schöne Beispiele dazu. Über die Kühberger Flur verlief einer der ältesten Wege nach Böhmen SEMITA BOHEMICA (Semita = Fußsteig), der schon 1143 urkundlich belegt ist. Er führte von den Salinen bei Halle - Merseburg - Altenburg – überquerte die Mulde bei Zwickau - Hartenstein - Grünhain - Elterlein - Schlettau - Kühberg – Pressnitz – über Hassenstein weiter nach Prag. Anfangs nur ein Fuß- oder Reitweg, ein sogenannter Saumpfad, auf dem das Salz auf Lasttieren transportiert wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.
Bergab wurden die schmalen eisenbeschlagenen Holzräder der Fuhrwerke mit Ketten und Hemmschuhen regelrecht blockiert und hinterließen tiefe Spuren in den völlig unbefestigten Wegen. Die Hufe der Pferde taten bergan ihr übriges. Bodenerosion durch Regen und Wind ließ tiefe Hohlwege entstehen. Waren die Wege an solchen Stellen dann zu tief ausgefahren, wurde einfach der alte Weg verlassen und daneben ein neuer Weg „aufgefahren“. Es entstanden so regelrechte Bündel von nebeneinander liegenden Wegen, wie man sie den Ratsgerichter Weg hinaus noch heute schön sehen kann: oben im Wald liegen hier mehrere tief ausgefahrene Wege nahe nebeneinander, zweigen vom jetzigen Weg ab und vereinigen sich wieder.
Auch im Ort selbst war die Verkehrsführung anders als heute. Mit der Besiedlung entstanden zuerst die die Bauernhöfe miteinander verbindenden Wege. Am östlichen Hang der Alte Mildenauer Weg und die spätere Bärensteiner Str. und natürlich die vielen Wege hinaus zu den Feldern. Am westl. Talhang entlang der heutige Untere und Obere Gutsweg bis hinauf zu den Gütern an der Brettmühle. Erst als im Tal die Mühlen gebaut wurden und sich Häusler ansiedelten, entstanden auch die 2 „Straßen“ im Tal, rechts und links der Pöhla entlang.
Nach der Gründung von Annaberg 1496 kam der Obere Marktsteig als neue Verbindungen hinzu. Die Ecke am späteren „Pöhlatal“ war die wichtigste „Kreuzung“ auf der Amtseite. Hier kreuzten sich die Fernverbindung Altenburg-Satzung mit dem Gutsweg und der Weg nach Annaberg zweigte hier ab. Bis um 1820 benutzte ihn auch die Postkutsche, die hier an der schwarz-gelben Armensäule Halt machte.
Auf der Lichtenhainer Seite war die Ortsmitte ebenfalls die Kreuzung der Wege zu den Gütern (Mildenauer Str.) mit dieser Fernstraße (Ratsgerichter Weg). Sie wurde sogar als Platz für den Bau der Kirche ausgewählt, gegenüber dem Kretscham und Gutshof des Erbrichters, dem Ratsgericht.
Mit dem von der sächsischen Regierung 1781 und 1820 vrordneten und finanzierten „Chausseemäßigen Ausbau der Staatsstraßen“ wird auch die Poststraße von Annaberg nach Karlsbad ausgebaut. Für solche „Heer- und Landstraßen“ war schon ab 1789 ein „Chausseegeld“ zu entrichten. 1845 gab es in Sachsen 227 solcher Chausseegeld- und Brückenzoll-Einnahmestellen, auch die Zollstelle an der Morgensonne, „de Einahm“, gehörte dazu. Erst 1885 wurde das Chausseegeld wieder abgeschafft. Ab 1820 mussten die Gemeinden auch Ortstafeln anbringen, und zwar „am Eingang jeden Ortes am ersten Haus eine Tafel mit dem Ortsnamen“ !
Um einen Eindruck vom damaligen Straßenverkehr zu bekommen , hier ein paar Zahlen: „1797 passierten 33000 Pferde und 9000 Wagen die Heinzebank. In 6 Jahren wurden hier 136 832 Pferde und 36 068 Wagen gezählt ...“, also etwa 30 Pferdegespanne täglich.
Jöhstadt erhielt erst 1655 Stadtrecht. Um 1386 wird es bereits als Goswynsdorf genannt. Nach Jöhstadt gab es nur den Weg über Grumbach und einen Weg von der Brettmühle aus. Auch nach Jöhstadt wurde eine neue „Poststraße“ angelegt. Auf einer Karte aus dem Jahre 1761 ist sie bereits eingezeichnet. Sie hat schon den heutigen Straßenverlauf und folgte parallel dem „Alten Henne Weg“, einem alten Fußweg, der nahezu gerade von unserer Kirche aus, diagonal über die Felder (!), oberhalb der jetzigen Straße, am Galgen vorbei, nach der Jöhstädter Höhe führte.
Die Alte Geyersdorfer Straße
entstand hauptsächlich mit dem Bergbau am Pöhlberg (St.
Briccius) Mitte des 16. Jahrhunderts. Nach Mildenau führte bis um 1900 nur der alte Kirchsteig (heute Alter Mildenauer Weg - Hagebuttenweg). Die „neue“ Straße nach Mildenau wurde erst 1903 gebaut. Nach Bärenstein gab es den Alten Weiperter Weg, von der Brettmühle aus hoch oberhalb der Pöhla am östl. Hang. Erst 1902 wurde die (Tal-) Straße nach Kühberg und Bärenstein fertiggestellt (13.12.1902). Die Talstraße nach Geyersdorf entstand als letzte (Bild): am 20.11.1911 wurde der Verkehr freigegeben. |
Unsere heutige Lindenstraße war bis zum Ausbau der
Talstraßen nur ein schmaler unbefestigter Weg von der Güte
eines Feldweges. Zur „Straßenseite“ hin hatten die Häuschen der Häusler alle noch
breite umzäunte Vorgärten ! Auch von Geyersdorf nach Wiesenbad
wurde die Talstraße über Plattenthal verlängert, wodurch nun
eine durchgehende Straßenverbindung das gesamte Pöhlatal hinauf
bis nach Wiesenthal erreicht wurde. Ein vorhandener Feldweg wurde
1913 zur Bahnhofstraße ausgebaut.
Über die gefährliche Arbeit der Fuhrleute aus der Zeit, als Straßen und Wege ausgefahren und unbefestigt waren berichtet eine Sage, die in an der alten Geyersdorfer Straße spielt:
„Der gespenstische Fuhrmann“
Zwischen Königswalde und Geyersdorf, am linken Ufer der Pöhla, liegt die sogenannte Reicheltwiese, welche, da sie sumpfigen Untergrund hat, sehr weich und papprich ist. In derselben soll ein Fuhrmann, der Salz geladen hatte, mit Wagen und Pferd versunken sein. Abends 9 Uhr soll derselbe mit seinem Fuhrwerk wieder erscheinen, mit seiner Peitsche knallen und dabei „Hüoh !“ rufen ...
Glück Auf !
Wolfgang Süß
19. Oktober 2007