Sagenhaft

Wieder einmal saßen wir im Frühjahr diesen Jahres bei Christian Müller zusammen. Schon mehrmals hatten wir darüber gesprochen, anläßlich der 750-Jahr-Feier unseres Heimatortes eine Ansichtskarte herauszugeben. Unter den Postkartensammlern werden solche Karten als "Anlaßkarten" bezeichnet und sind heute sehr gefragt.

Vor hundert Jahren wäre es eine Selbstverständlichkeit gewesen, zu so einem Jubiläum eine extra Karte herauszugeben. Die Postkarte hatte eine ganz andere Wertigkeit als heute, wo Telefon, Fax, Emails und SMS-Nachrichten den zwischenmenschlichen Informationsaustausch beherrschen. Früher schrieb man sich Postkarten, die die Schreib- bzw. Gemischtwarenhandlungen (Franz Flohrer, Gustav Malz, Hedwig Gebhard oder Wally Bergelt) im Selbstverlag drucken ließen und herausgaben. Also für uns stand fest: Zur 750-Jahr-Feier muß es unbedingt auch eine spezielle Postkarte von Königswalde geben. Und der geschichtsträchtige Anlaß sollte natürlich mit einer historischen Postkarte gewürdigt werden. Aus der Sammlung von Christian Müller waren bald 2 geeignete Motive herausgesucht, beides Ortsansichten, Lithographien um 1900. Ein Grund dafür, daß wir uns letztlich schnell auf das eine Motiv einigen konnten, war die Darstellung der links am Rande stehenden weiblichen Figur.

Im langen weißen Gewand, mit langem wellenden Haar steht sie wie ein Engel, wie eine junge Germania, ruhig, fast ein wenig nachdenklich, und schaut auf unser Dorf. Wer ist diese Frau, ist es eine Schutzheilige, eine Sagengestalt ? Auf einer anderen Postkarte, von Annaberg, taucht sie noch einmal auf, genau die gleiche Gestalt, "Schlüsselfräulein vom Pöhlberge" steht fast nicht lesbar darunter. Also doch eine Sagengestalt ?! Nun begann die Suche, Bücher, Heimatliteratur wälzen ..., aber erfolglos. Ein "Schlüsselfräulein vom Pöhlberge" kann ich nicht finden. Vielleicht ist es nur eine Phantasie-Bezeichnung des Lithographen, der diese Karten schuf. Ich weiß es nicht. Aber es gibt eine Sage, die zutreffen könnte:

"Die Jungfrau vom Pöhlberge"

Der Bielberg, oder Pöhlberg, an dessen Fuße Annaberg liegt, hat seinen Namen von dem Grenzbache Biela, der hinter ihm vorbeiströmt. Auf demselben soll sich ein Wunderbrunnen befinden, den aber nicht jedermann finden und sehen kann; bald hat ihn einer angetroffen und einen guten Trank aus ihm getan, dann aber, als er den Fleck wieder gesucht, ist er nicht mehr dagewesen. Zuweilen soll eine schöne Jungfrau an ihm sitzen. Das ist die Jungfrau vom Pöhlberge. Es soll der Geist einer Tochter des letzten heidnischen Beherrschers dieser Gegend, des Riesen Bilo, sein, die einst auf einem Jagdzuge mit dem Schüler des heiligen Bonifacius, Conrad, bekannt wurde und, sei es durch seine Worte, sei es durch Liebe zu dem schönen Jünglinge, bewogen, zum Christentum bekehrt ward. Zwar war sie eines Tages mit ihm und seinen Schülern, als sie eben auf dem Fichtelberge sich frommer Andacht hingaben, von ihrer Mutter und ihren heidnischen Priestern überrascht und gefangen auf dem Bielberg geschleppt, um da geopfert zu werden. Allein ein Blitzstrahl verlöschte den Holzstoß, auf dem sie und Conrad den Flammentod sterben sollten, und schlug das Götzenbild und seinen Oberpriester zu Boden und alle, welche das Wunder geschaut hatten, bekehrten sich und nahmen das Kreuz. Der fromme Mann zog fort zu anderen Völkern, Bila aber, so hieß die Jungfrau, blieb zurück und widmete ihr ganzes Leben der Verbreitung des Christentums, und als ihr letztes Stündlein schlug, da erbat sie sich von ihrer Schutzheiligen St.Anna die Gnade, zuweilen beim Herannahen wichtiger Ereignisse ihrem Volke erscheinen zu dürfen, und dies ging auch in Erfüllung: wenn sie sich gezeigt hat, pflegte gewöhnlich der Stadt Annaberg irgend ein freudiges Ereignis zu begegnen.

Nun so eng wollen wir das nicht sehen, bestimmt stehen alle Orte um den Pöhlberg herum in ihrer Gunst....

Also doch eine Schutzheilige ?!

Es muß wohl so sein, denn besser konnte unsere Festwoche, unser Festumzug, die ganze 750-Jahr-Feier nicht gelingen !

Nun wollen wir diese Karte mit einem zusätzlichen Aufdruck auch noch zum Brettmühlenfest, zur Eröffnung der Brettmühle am 29.9.2000, mit anbieten ... und vertrauen wieder auf unsere neue Königswalder Schutzheilige, unsere Jungfrau vom Pöhlberg.

 

Glück Auf !

Wolfgang Süß

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