Richard Lange - der "Mäuse-Doktor"
Zu den bemerkenswertesten Figuren der unmittelbaren Nachkriegszeit unseres Ortes gehört ohne Zweifel der vielen noch persönlich bekannte Oberlehrer Richard Lange, unser "Mäuse-Doktor".
Richard Lange wurde am 10. März 1888 in Altchemnitz geboren. Nach seinem Lehrerstudium in Zschopau war er zunächst als Hilfslehrer in Weigmannsdorf (bei Brand-Erbisdorf) tätig. Ab 1911 wirkte er als Lehrer und späterer Oberlehrer in Chemnitz. Im Februar 1944 wurde er, wegen seiner demokratischen Gesinnung nach Königswalde "auf's Dorf abgestellt", wo er nun eine neue Wirkungsstätte fand und bald heimisch wurde. 1945 gehörte er in Königswalde zu denjenigen, die nach dem Krieg dafür sorgten, daß sich das Leben wieder normalisierte.
Er wurde zum Schulleiter berufen und so war es seine vordringliche Aufgabe, den Schulbetrieb erst einmal wieder in Gang zu bringen und vor allem die dringend benötigten Neulehrer auszubilden.
Er selbst unterrichtete in den Fächern Deutsch, Musik und natürlich Biologie.
Viel gäbe es aus dieser Zeit und seiner Tätigkeit als Lehrer zu berichten. Er war ein allseits beliebter Lehrer, der viel lieber mit klugem Humor als mit Schelte erzog. Gerne erinnern wir uns an seine ruhigen Art, sein chemnitzer Dialekt, seine tiefsinnigen Aussprüche... Bis 1951 war er Direktor. 1953 wurde er Rentner, blieb aber noch 3 Jahre als Lehrer an der Schule.
Bemerkenswert ist aber vor allem, wie er es in seiner Freizeit schaffte, neben seinem verantwortungsvollen Amt, noch soviel für die Belebung des geistig-kulturellen Lebens in unserem Dorf zu tun. So gründete er die Ortsgruppe des Kulturbundes, rief 1947 die Schnitzer wieder zu einem Verein zusammen, gründete den Volks- und den Frauenchor und übernahm die musikalische Leitung in beiden Chören ! Er führte die Ortschronik, war Mitglied der Theaterspielgruppe "Thalia", wurde Pilzberater und selbst als Rentner sah man ihn oft für den FDGB-Feriendienst als Wanderführer und "Reiseleiter" mit den Urlaubern. Viele Jahre gehörte er dem Kreisvorstand des Kulturbundes an und war zuletzt sein Ehrenvorsitzender.
Seine besondere Vorliebe aber galt der Natur, "seinen" Mäusen und Vögeln . Ja, er besaß schon eine spezielle Neigung, die nicht alltäglich war, und ihm auch schnell seinen Spitznamen eingebracht hatte: seine intensive Beschäftigung mit diesen kleinen Säugetieren, mit den speziell im Erzgebirge vorkommenden Mäusearten, besonders einigen nützlichen und deshalb geschützten Arten. Viele Jahre hat Richard Lange Lebensweise, Verhalten und Anatomie dieser kleinen Tiere erforscht und ausführlich beschrieben. So machte er sich auch unter Wissenschaftlern einen Namen, stand mit dem Zoologischen Museum der Humboldt-Universität zu Berlin in enger Verbindung. Seine Beiträge über die Ergebnisse seiner Forschungen erschienen in internationalen Zeitschriften. Er hatte persönliche Kontakte mit namhaften Zoologen des In- und Auslands, die die gewissenhafte Arbeit des Königswalder Forschers schätzten und anerkannten.
Schon von Jugend an hatte er sich für Ornithologie und Vogelschutz begeistern können. Von 1924 bis 1944, also 20 Jahre lang, wirkte er als Vorsitzender der "Vereinigung Chemnitzer Ornithologen". Später, in den dreißiger Jahren, bis zu seinem Weggang von Chemnitz, war er Vorsitzender des dortigen Naturschutzvereins. Von 1932 bis 1945 war er ehrenamtlich als biologischer Leiter der Vogelschutzwarte Scharfenstein tätig, die er selbst mit aufgebaut hatte. Viele Jahre arbeitete er im Bezirksfachausschuß Ornithologie und Vogelschutz mit.
1963, im Alter von 75 Lebensjahren, besuchte er noch einen Lehrgang in Müritzhof. Über 25000 Vögel hat er in seiner Freizeit beringt !
Mehrere hohe Auszeichnungen waren die Anerkennung für sein rastloses Wirken auch noch als Rentner.
Am 3. September 1969 starb Richard Lange im Alter von 81 Jahren.
Mit seinem Schaffen, seiner Naturliebe und Heimatverbundenheit hat er viel für uns und unseren Ort geleistet. Besonders in einer Zeit, wo oftmals andere Dinge viel viel wichtiger waren, hat er auch an Natur und Umwelt gedacht, Kultur und Vereinsleben zu neuem Leben erweckt. Sein arrangiertes Wirken verdient noch heute unsere besondere Achtung.
Auf dem Foto vom 4.9.1950 sehen wir Ihn inmitten seines damaligen Lehrerkollegiums: v.l.n.r: Lothar Nestler, Ernst Neubert, Richard Lange, Gotthard Richter, Manfred Reichelt, Kurt Schumann, Kurt Hacker, Käte Nestler (verh. Melzer), Kurt Langer.
Ich bedanke mich bei allen, die mich bei der Erarbeitung dieses Beitrages unterstützt haben, besonders bei Ernst Neubert und Karin und Manfred Reichelt.
Glück Auf !
Wolfgang Süß
im September 2002