Manöverstimmung
Nebel lag über dem Pöhlatal an diesem regnerischen und kühlen Montagmorgen am 18. September 1893. Auf dem Pöhlberg-Rundgang standen schon die ersten Schaulustigen und schauten gespannt hinüber zur Mildenauer Kirche. Auch auf den Hügeln östlich von Mildenau, auf der Glaserkuppe (Höhe 673) und auf der Sachsenhöhe (Höhe 705) warteten gespannt die Zuschauermassen.
Das erste Artillerie-Scharfschießen in Sachsen soll heute hier stattfinden. Eine kleine Sensation für das ganze Obererzgebirge. Schon Tage zuvor war das Gelände, das von den Orten Geyersdorf, Mildenau, Grumbach, Königswalde und Jöhstadt umgrenzt wird, von strengen Posten abgesperrt. Auch das "Torfhaus", oben im Wald westlich von Grumbach, war vorsorglich evakuiert worden.
Inzwischen waren am oberen Ortsende von Streckewalde die 54 Geschütze des 2. Feld-Artillerie-Regimentes Nr.28 aufgefahren. Auf dem Turm der Mildenauer Kirche war der Beobachtungsposten eingerichtet. Nachdem er das Schußfeld freigegeben hatte, wurde auf dem Lerchenhübel eine rote Flagge aufgezogen. Das war das Zeichen zum Angriff !
Originalaufnahme vom Lerchenhübel
Nun kam Bewegung ins Feldlager. Im gestreckten Galopp rückte das gesamte Artillerieregiment von Mauersberg aus auf den Lerchenhübel vor, protzte sofort ab und eröffnete zugleich das Feuer auf die etwa 3 km entfernten beweglichen Ziele auf der Hermannshöhe (Höhe 701). Gespannt verfolgten die Zuschauer das Geschehen. Dem Aufblitzen der Feuergarbe folgte ein gut zu vernehmendes "zischend pfeifendes" Geräusch und dann der Einschlag auf der Hermannshöhe. Nach jedem Schuß sprangen die Geschütze ein ganzes Stück zurück und mußten neu gerichtet werden. Deshalb wichen wohl auch einige Geschosse von der gewünschten Zielrichtung ab und flogen weit hinauf in den Ratswald zwischen Grumbach und Königswalde. Nach Beendigung des Schießens, etwa 200 Schüsse waren abgegeben worden, suchten Feuerwerker das Gelände nach Blindgängern ab. Aber auch viele Zuschauer liefen auf den das Schußfeld durchziehenden Feldwegen entlang, um Geschoßteile als Souvenirs mit nach Hause zu nehmen.
Das Scharfschießen war zugleich das Ende eines großen Manövers im Obererzgebirge. Zum Manöver 1911 fand an gleicher Stelle ein eben solches Scharfschießen statt.
Glück Auf !
Wolfgang Süß