Die Königswalder Ortswappen
Als auf der Festveranstaltung zur feierlichen Übergabe des neuen Gemeindesaales im Amtsgericht unser Bürgermeister u.a. die Vereine zur weiteren Ausgestaltung dieses Saales aufrief, fühlten sich natürlich auch unsere Schnitzer angesprochen. Und nun am 10. Juli 1997 war es dann soweit: unbemerkt von der Öffentlichkeit, fast heimlich, wurde ein plastisch in Lindenholz gestaltetes, farbig lasiertes Ortswappen von ca. 2x2m Größe vom Schnitzerheim ins Amtsgericht getragen und schmückt nun die Stirnseite unseres Gemeindesaales. Als es endlich an seinem Platz hing, gab es spontan Beifall, es ist wirklich sehr gut gelungen und wirkt an der großen freien Wand natürlich noch imposanter als in der relativen Enge des Schnitzerheims.
Nun ist Ortswappen ja eigentlich nicht der richtige fachliche Ausdruck. Dörfer besaßen und besitzen keine Wappen ! Nur Städte erhielten etwa ab dem 14. Jahrhundert mit ihrer Gründung vom Landesherren ein Wappen erteilt. Bis dahin waren Wappen ausschließlich Standessymbol des Rittertums. Vom reinen Erkennungssymbol wandelte sich mit dem Aufkommen der Stadtwappen der Zweck der Wappen zum Symbol für Besitz und gesellschaftlichem Rang.
In den Dörfern wurde die Gerichtsbarkeit durch die Erbrichter ausgeübt. Neidisch werden sie auf die mit schönen Wappenbildern verzierten Dienstsiegel ihrer "Amtskollegen" in den Städten geschaut haben. Da wollten auch die Erbrichter nicht nachstehen und es wurde bald allgemein üblich, daß auch die Erbrichter der Dörfer ihr Dienstsiegel mit einem Bild oder Symbol schmückten. Das geschah meist spontan und lag im freien Ermessen des jeweiligen Erbrichters. Außerdem hatte es den praktischen Vorteil, daß diejenigen die nicht lesen konnten, nun auch das Siegel erkannten. Dabei wurden hauptsächlich sogenannte "redende Wappen" verwendet, d.h. mit dem Wappenbild wurde auf den Namen des Dorfes Bezug genommen, also eine Schildkröte im Crottendorfer Siegel = Krötendorf, Cranzahl mit der Krähe im Wappen = Krähenzahl.
Wie aber ist Königswalde zu seinen Wappen gekommen ?
Nun hatten wir ja durch die frühere Zweiteilung unseres Ortes sowieso schon zwei Erbrichter. Der Erbrichter des später zu Annaberg gehörenden Ortes Lichtenhyn (Ratsseite; Ratsgericht) führte in seinem Dienstsiegel ein Schaf. Der Erbrichter im Amtsgericht, dem zum Amt Grünhain gehörendem Dorf Königswald (Amtsseite) wollte seinen Dienstkollegen auf der Ratsseite wohl übertreffen und er schmückte sein Dienstsiegel mit einem stolzen schreitendem Pferd, wie uns die Abbildung aus dem Jahre 1724 zeigt.
Wie aber kommt das Schaf in das Dienstsiegel des Lichtenhainer Erbrichters ? Lichtenhain bedeutet Grenzort und interessanterweise gibt es auch in Oberfranken, woher unsere Vorfahren einmal kamen, an der fränkisch-thüringischen Landesgrenze ein Lichtenhain !. Für diesen Ortsnamen ließ sich wohl schwer ein geeignetes Bild oder Symbol finden.
Aber die oft verbreitete Deutung mit dem Verweis auf ein altes Recht der gemeinsamen Weide der Haustiere auf der sogenannten Heide erscheint mir zu wenig typisch und nicht interessant genug, als daß sie ein angesehener mächtiger Dorfvorsteher und Erbrichter auf seinem Dienstsiegel verewigt.
Nun sind ja Schafe in Stadtwappen wahrlich keine Seltenheit. Sie sind sogar sehr verbreitet, doch ein Schaf im Wappen ist nicht einfach ein Schaf, es ist das heraldische Symbol Agnus Dei, das Lamm Gottes, der Bezeichnung Christi durch Johannes den Täufer ! DasWappen der böhmischen Stadt Trentschin ist ein schönes Beispiel dafür.
Kann das Schaf im Dienstsiegel des Lichtenhainer Erbgerichtes nicht ein bildlicher Ausdruck der Freude über die doch noch "geglückte" Evangelisation (Reformation) ihres Dorfes Lichtenhain sein. Das wäre schon eher vorstellbar: Bis zur Fertigstellung der ersten eigenen Kirche 1523 waren Königswalde und Lichtenhain nach Mildenau eingepfarrt. Dann kam die Reformation. 1530 predigte der Mildenauer Pfarrer Fleischmann zum ersten Mal evangelisch in der hiesigen Kirche. Doch bald verbot der Landesherr der Ratsseite, Herzog Georg der Bärtige, die neue Lehre. Die Kirche wurde für 3 Jahre verschlossen, ihre Eingänge zugenagelt.
Die in der Seele evangelischen Lichtenhainer gehen heimlich nach Königswalde hinüber zu den evangelischen Gebetsstunden ins Amtsgericht oder schleichen sich in die schon reformierte Kirche nach Buchholz. Erst nach dem Tod des Herzogs Georg wird die Kirche 1539 wieder freigegeben und beide Gemeinden, die Lichtenhainer und die Königswalder zusammen, bilden nun eine gemeinsame und selbständige und reformierte Kirchgemeinde, endlich darf auch auf der Ratsseite in verständlicher deutscher Sprache das Evangelium gepredigt werden.
Auch heute schmückt das Schaf das Dienstsiegel unserer Gemeinde. Es findet sich wieder auf dem Ortsprospekt aus dem Jahre 1982 und am Giebel der ehemaligen Heckertschen Gastwirtschaft und Fleischerei (wenn auch einmal nach links - mal nach rechts schauend ...).
Eine neue Form eines Ortswappens für unser Königswalde entstand 1950 mit der 700-Jahr-Feier. Es ist das Titelbild der zu diesem Fest herausgegebene Festschrift und es ist anzunehmen, daß ihre Verfasser Martin Dittrich und Karl Nestler es auch entworfen haben. Ein echtes redendes Wappen:
Krone und Fichte stehen als Synonym für den Ortsnamen Königswalde, die beiden turmartigen Gebäude rechts und links verweisen auf die ehemalige Zweiteilung des Ortes und die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Herzogtümern.
Es war auch die Grundlage für den Entwurf des Symbols am Ortseingang, das von den Mitgliedern des Schnitzvereins angefertigt und am 17.11.84 aufgebaut wurde.
Für uns Schnitzer war es deshalb auch das naheliegendste dieses Ortswappen für die Ausgestaltung des Amtsgerichtssaales zu verwenden.
Zumal es das Wappen ist, das Amts- und Ratsseite in einem Symbol vereinigt.
Auch der Schnitzverein verwendet seit 1986
diese Symbol in etwas stilisierter Form
in seinem Vereinslogo.
Eine fast fotografische Kopie
des Ortseingangssymbols ist
auch auf dem Prospekt von 1992
als Ortswappen abgebildet.
Wolfgang Süß
11. Juli 1997
Nachtrag:
Im Oktober 1997 wurde es erforderlich das bisherige Gemeindesiegel (Schaf mit zwei Büschen) zu überarbeiten oder neu zu entwerfen, da es nicht den heraldischen Grundregeln entsprach.
Es wurden verschiedene Entwürfe von Bürgern unseres Ortes eingereicht.
Der Gemeinderat bestätigte den Entwurf von Wolfgang Süß in der Form, wie es heute als offizielles Ortswappen von Königswalde eingetragen ist:
Beschreibung: grüner Pfahl auf silbernem Schild; im Pfahl ein nach rechts schreitendes silbernes Schaf; rechts und links auf dem Schild je ein grüner Busch.