Wo Grenzen sind, gibt es auch Pascher ...

An der sächsisch-böhmischen Grenze blühte die Pascherei seit Jahrhunderten. Sie war ein Eldorado für Schmuggler und Schwärzer.
Vom "Grenzfieber" erfaßt, zogen in vielen grenznahen erzgebirgischen Orten des nachts geschwärzte Gestalten still und heimlich durch die Wälder, der "Grünen Grenze" zu. Ganze Familien sollen vom Paschhandel gelebt haben. Zeitweise bestanden in manchen Grenzorten sogar öffentlich sanktionierte Pascherinnungen ! Das Paschen war für viele Erzgebirger eine gute Möglichkeit ihrer sozialen Lage etwas aufzubessern. Und das Schmuggeln war etwas selbstverständliches und auch nicht etwa unehrenhaft. Um u.a. den illegalen Grenzübertritt besser zu kontrollieren, musste schon seit dem Jahre 1800 jeder Bürger einen „Passport“ zur Legitimation besitzen und diesen bei Kontrollen vorlegen. Die Finanzer, so wurden die Zöllner früher von den Erzgebirgern bezeichnet, waren die direkten „Gegner“ der Pascher. Doch sie konnten meist wenig gegen die Pascher ausrichten. Zudem lebten ja Zöllner und Pascher auch gemeinsam in Ort, waren Nachbarn, und so gab es auch viele Beispiele „enger Zusammenarbeit“ oder man wusste einfach aus Gesprächen und Beobachtungen, in welchen Abschnitten gerade wenig kontrolliert wurde.
Mancherorts gab sogar richtig organisierte, teilweise bewaffnete Pascherbanden, die strenge Verhaltensregeln, einen eigenen Ehrencodex hatten: Jede „Kolonne“ führte ein „Chef“ an, der das absolute Sagen über alle Mitglieder der Kolonne hatte. Die Kolonne war in einzelne Gruppen untergliedert, die man als „Padd“ oder „Pasch“ bezeichnete (weil ausgewürfelt wurde, wer wo mitgeht).

Zu jedem Padd gehörten die „Baldower“: die alles vorher auskundschaften (ausbaldowern), dann die „Veteranen“: alte, erfahrene Schmuggler, und natürlich „de Gunge“: junge unerfahrene Schmuggler, die die Schmuggelware letztlich schleppen mussten. Außerdem gab es noch die „Rabatzer“: Gruppen von Jugendlichen, die Rabatz machten, das heißt viel zu laut die Grenze überschritten, um die Zöllner und Grenzer auf sich zu lenken. Grundlage aller Pascherei waren die unterschiedlichen Preise für manche Waren hüben und drüben der Grenze.In Böhmen war vieles durch eine geringere Besteuerung billiger, so wie heute noch Benzin und Tabak. Im Gegensatz war Böhmen schön immer ohne eigene Salzvorkommen, was einen enorm hohen Salzpreis zur Folge hatte.
Die meisten Pascher waren ganz normale Bürger, die auf eigen Faust und Rechnung ihren kleinen „Grenzhandel“ betrieben. Ältere entsinnen sich noch der regen Pascherei in den zwanziger und dreißiger Jahren. An Sonn- und Feiertagen zogen ganze Vereine über die deutsch-böhmische Grenze, sich das böhmische Bier und die Knödel schmecken zu lassen. Kamen sie in Bierlaune zurück, standen sie unter genauer Beobachtung des Zolls. Auffällig waren neue Lederjacken und Schuhe. Gerne wurden auch Backwaren mitgebracht. Von Sachsen nach Böhmen paschte man Spitzen, Geflügel, Strümpfe, Uhren und das drüben so teure Salz. Auch die Fuhrleute, die von Böhmen Holz nach Sachsen brachten, gehörten zu den ausgemachten Paschern. Zwischen der Ladung hatten sie oft ganze Tabakringe versteckt. Im Erzgebirge gab es wohl keinen Mann, der nicht böhmischen Tabak in seiner Pfeife oder böhmische Zigaretten rauchte. Im „Schatzwalle“ im Storchengrund wurde in den 70iger Jahren noch eine Truhe ausgegraben, voll mit vermoderten Rollentabak aus der Pascherzeit der Vorkriegsjahre.

 

Doch schon viel früher wurde gepascht. In einer Akte aus dem Jahre 1682 wird aus Königswalde berichtet, dass mit der Einführung der neuen kurfürstlichen Steuer, dem Malgroschen, der für jeden Scheffel Getreide, der gemahlen wurde, beim Müller zu entrichten war, viele Königswalder Bauern und Häusler nun Mehl über die Grenze schmuggelten, es heimlich bei Nacht aus Böhmen herangebringen. Das ging sogar soweit, dass in eigens dafür „schwarz“ gebauten Backöfen Brot und Kuchen gebacken und auf Jahrmärkten in Städten und Dörfern verkauft wurde. Darüber beschwerten sich die Müller in einem Brief an den Kurfürst, dass nun niemand mehr zu ihnen mahlen käme und forderten den Abriss dieser illegalen Backöfen ... !

Für die Königswalder Pascher waren die beiden Gasthöfe unmittelbar an der Grenze, dr „Blachhammr“ in Kühberg und „de Wolf-Schmitt“ oben im Wald Richtung „Weißn Hirsch“, ideale Unterschlüpfe. Hier konnte man schnell mal seine Ware verstecken und sich als harmloser Gast in die Gaststube verdrücken, wenn gerade die Grenzer oder die Finanzer unterwegs waren !
Bekannt waren auch die Jöhstädter „Olitäten-Händler“, die Naturheilmittel, Schnaps und Schnupftabak herstellten und damit ihren Hausierhandel betrieben, doch wirklich lebten sie vom Paschhandel. Noch heute gibt es in Schlössel einen Paschweg.

Eine schöne Begebenheit gibt es auch aus Hammerunterwiesenthal: In den 20iger Jahren hatte hier eine alleinstehende ältere Frau einen winzigen Kolonialwarenladen. In regelmäßigen Abständen bestellte sie einen Bahnwaggon voll Speisesalz ! Angeblich für die Bauern als Zusatz zum Viehfutter. Die kamen dann auch mit ihren Truhenwagen zum Bahnhof und luden um. Sie fuhren damit auch nach Hause. Doch abgeladen hat keiner erst ! Ein paar Tage später begann des Nachts das bekannte Spiel: Irgendwo an der Grenze wurde „Rabatz gemacht“ und man ließ die Grenzer und Zöllner ein paar harmlose Kleinigkeiten „erhaschen“. Inzwischen fuhren an anderer Stelle die Bauern mit ihren vollgeladenen Salzfudern über die Grenze. Auf dem Rückweg teilten sie sich auf verschiede Übergänge auf und hatten ihre Wagen mit Heu, Stroh und Feuerholz beladen, was natürlich zollfrei war.
Das Paschen war nicht immer ungefährlich. Ertappte Pascher fürchteten keine Rauferei mit den Zöllnern, und wenn es sein musste, wurde auch mal scharf geschossen. Denn machte man sie dingfest, verloren sie nicht nur alle Pascherware, sondern landeten meist auch hinter Schloss und Riegel. So werden am 19.Oktober 1929 an der Morgensonne Pascher von Zöllnern „aufgebracht“ und eröffnen das Feuer. Auf den Tischen der Gaststube werden verletzte Pascher und Zöllner nebeneinander behandelt ! Am 4. Juli 1935 kommt es erneut zu einem Feuergefecht zwischen sächsischen Zollbeamten und Paschern, dabei wurden drei Schmuggler erschossen und zwei Zollbeamte verletzt !

In den Nachkriegsjahren, als viele Waren knapp waren, erlebte die Pascherei über die tschechische Grenze noch einmal eine große Zeit. Auch Königswalder gingen wieder nachts über die von den „Jöhstädter Grenzreitern“ bewachte Grenze.

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im Januar 2005

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