S’ Schatzwalle
Lange kalte Novemberabende. Zeit Geschichten zu erzählen. Wie wäre es mit der Sage vom Storchengrund aus dem Königswalder Geschichtsbuch (S.74). Mein Großvater, Oskar Pöttrich (am 17.Nov.2000 wäre er genau 100 Jahre alt geworden), hat sie uns immer dann erzählt, wenn wir ihn als Kinder gefragt haben, warum das Schatzwäldchen eben Schatzwäldchen heißt. Meist sagte er dann noch, vielleicht läge der Schatz auch gar nicht im Schatzwalle, sondern weiter unten, bei den 3 Erlen, auf seinem Feld. Ja, jetzt sei er sozusagen der Bauer vom Valeriusgut. 1882 hatte sein Vater, Gotthilf Pöttrich, diesen Bauernhof erworben. Oder, der Schatz liege in einem der Lesesteinränder, die sich im Storchengrund zwischen unserem Feldweg und dem Seidlerweg bis in unseren Wald hinaus hinziehen...
Den genauen geschichtlichen Hintergrund der Sage wußten wir freilich damals nicht. Es hätte bestimmt unseren Glauben an den Schatz im Schatzwalle noch mehr verstärkt. Und nicht zu unrecht, denn was hier als Sage erzählt wird, das hat mir fast zuviel an Wahrheit.
Versetzen wir uns in das Jahr 1632. Schon 14 Jahre ging der 30jährige Krieg mit all seinen Schrecken übers Land. Zwar blieb Königswalde bislang verschont, aber nun rückten die Söldnerhaufen immer näher. Durchziehende Fuhrleute berichteten Schreckliches. Dann, am 4. August, überfiel ein kleiner Trupp kaiserlicher Landsknechte die Amtsseite und hauste brutal. Die Frau des Erbmüllers Hegewald verstarb an den schweren Mißhandlungen. Die Königswalder waren gewarnt. Ist es nicht selbstverständlich, daß nun jeder seine Vorkehrungen für solche, immer wieder zu erwartende Überfälle traf, seine paar Ersparnisse, vielleicht den Familienschmuck, einfach das wertvollstes Habe griffbereit verschnürt für eine Flucht bereitlegte, um wenigstens das und sein Leben zu retten. Der nahe Wald konnte einen ersten Schutz bieten.
Es kam der verhängnisvolle 21. August 1632. Ein Söldnerhaufen fiel aus Richtung Brettmühle kommend, mordend und brennend in das wehrlose Dorf ein. Vielleicht konnte der Pastor Simon Arnold noch die Kirchenglocke Sturm läuten, bevor er sich mit den anderen Dorfbewohnern in den Wald rette. Daß auch die Kirche abgebrannt wurde, deutet darauf hin. 8 Tage hielt er sich mit den anderen im Wald versteckt ! Auch der Bauer des Valeriusgutes lief den Storchengrund hinauf zum Wald. Nun eine schwere Lade wird er nicht mitgeschleppt haben, aber warum nicht einen ledernen Beutel mit seinen "Schätzen". Und falls man sie doch im Wald ergreifen würde? War es da nicht besser, es unterwegs schnell noch in einem der Lesesteinhaufen zu verstecken ?! Man brauchte nur einen größeren Stein anzuheben, und schon war alles verschwunden. Kam man mit dem Leben davon, war es schnell wieder aus dem Versteck geholt und man hatte wenigstens etwas für einen Neuanfang. Auf alle Fälle war es so sicherer aufgehoben als in den Häusern. Die wurden von den Soldaten bis aufs Letzte geplündert, bevor sie in Flammen aufgingen. Also alles durchaus nachvollziehbare Gründe für ein solches Handeln.
Wie entsteht nun die Sage ? Der Bauer des Valeriusgutes muß also unter den Toten, die bei diesen Überfalls zu beklagen waren, gewesen sein. Er wäre sonst nicht zur Hauptfigur der Sage geworden. Pastor Simon Arnold vermerkt 9 Opfer, aber nur 7 standen im Kirchenbuch !? Lehmann nennt noch zwei weitere Namen. War der Valeriusbauer darunter, wurde er von den Landsknechten doch noch im Wald ergriffen und deshalb erschlagen, weil seine Taschen leer waren, er nichts Wertvolles mit dabei hatte, wie die anderen ? Aus dem Jahre 1640 ist z.B. bekannt, daß die Schweden mit 300 Musketieren den Wald an der Wolfner Mühle, wo sich viele Bewohner der umgebenden Dörfer versteckt hielten, 3 Tage lang durchkämmten, alle Verstecke ausplünderten und mit Vieh und anderen Sachen im Wert von etwa 1000 Talern abzogen, nachdem sie auch die Wolfner Mühle abgebrannt hatten.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Sage ist natürlich, daß es um einen Schatz geht ! Der Valeriusbauer muß wohlhabend oder reich gewesen sein. Eine schwere Lade voller Schätze wird ihm zugesprochen ! Auch wenn es vielleicht nur ein Beutel voll mit Silberstücken war, damals ist es viel wert, eben ein Schatz gewesen. Bestimmt hat er ängstlich ein Gebet gesprochen beim Verstecken seines "Schatzes" , in der Sage werden Zauberformeln daraus. Sein Fluchtweg war der Storchengrund. Das ist naheliegend, stand doch sein Gut genau unterhalb und außerdem reichte hier der Wald schon immer am weitesten ins Tal, nahe an den Ort heran, denn als Feld war der feuchte Grund nicht nutzbar. Also hier muß er den Schatz versteckt haben. Der Schatz im Storchengrund ! Im Schatzwalle ! Wo sonst ! Alles andere wird nach und nach dazugemacht, einfach beim weitererzählen, die Sage ist fertig.
Eine wirklich glaubhafte Geschichte. Nun ich war wohl auch nicht der einzige, der an den Schatz glaubte, gar manchmal auf einen Zufallsfund hoffte, vielleicht beim Pflügen, noch mehr beim Aufladen von Steinen von eben diesen Lesesteinrändern für den Wegebau, für Packlager usw. ... irgendwo mußte der Schatz doch liegen, sonst gäbe es diese Geschichte doch nicht !
Auch ein Nachbar, Dieter S., hatte einmal im Traum genau die Stelle gesehen, wo der Schatz im Schatzwäldchen zu finden wäre. Sofort machte er sich am anderen Tag auf die Suche. Mehrere Tage hat er gegraben, ehe er aufgab. Ein anderer fand eine Kiste, leider nur voll vermoderten Rollentabak, vielleicht aus der Pascherzeit der 30iger Jahre. Der Schatz war es jedenfalls nicht.
Das Schatzwalle hütet weiter sein Geheimnis, und noch immer stehen 3 Erlen unten am Weg, im Storchengrund ...
Glück Auf !
Wolfgang Süß