Krautpopel und Vogelscheuchen
Wo sieht man heute noch eine Vogelscheuche, einen Krautpopel - wie wir dazu sagen ? Sie sind geradezu vom Aussterben betroffen. Niemand scheint sie mehr zu brauchen. Höchstens mal noch ihre Verwandtschaft aus flatternden Staniolstreifen im Kirschbaum trifft man noch vereinzelt an. Von den Feldern sind sie völlig verschwunden.
Früher waren sie eine Selbstverständlichkeit. Kaum war das Getreide ausgesät, wurden schon die Vogelscheuchen aufgestellt. Jedes von den Vögeln aufgepickte Samenkorn bedeutete ein Pflänzchen weniger und eine geringere Ernte. Besonders in den Jahrhunderten zuvor, als die Kartoffel hier noch nicht verbreitet und Brot und Mehlspeisen Hauptnahrungsmittel waren, hatte eine schlechte Getreideernte verheerende Auswirkungen. Hunger und Armut folgten unmittelbar. Aus dieser Not heraus mag auch die Vogelscheuche geboren wurden sein.
Lumpige Gestalten, luftige Wächter, wettergegerbte Männer, - je nach Phantasie und Material schufen die Bauern "menschlich" aussehende Ebenbilder - Kleider machen Leute, auch bei Vogelscheuchen. Viel gehört nicht dazu: etwas Holz, Stroh und ein paar Lumpen. Zwei Holzstangen werden übers Kreuz genagelt und bilden das Gerippe. Ein weißer Lumpen mit Stroh gefüllt und wird zum Kopf, einfach oben drauf gesteckt und festgebunden. Alte Hüte, ausgediente Eimer oder Töpfe dienen als Kopfschmuck. Hässlichkeit ist Trumpf beim Krautpopel, eine möglichst finstere Mine steht ihm am besten. Die Kleiderauswahl ist unbedeutend - je lumpiger die Klamotten, desto besser. Meist entstanden Lumpenmänner. Gab es überhaupt Vogelscheuchen-Damen - vielleicht Blondinen mit Strohhaar ... ?
Wer seine Vogelscheuche allerdings allzu schick ausstattete, hatte schon mal das Nachsehen, denn Landstreicher und vorbeiziehende Tagediebe bedienten sich schon mal gerne von der Scheuchen-Stange.
Doch wie auch immer die Vogelscheuche aussah, schnell hatten sich die Vögel daran gewöhnt. Blechbüchsen wurden an Schnüren an die "Arme" gehängt. Sie sollten im Wind sich bewegen und klappern oder man legte eine lange Schnur bis hinunter zum Bauernhof an der ab und zu kräftig gezogen werden mußte. Etwas besser waren schon die Modelle, die drehbar auf einer Eisenstange waren und sich wie eine Wetterfahne mit dem Wind drehten - wenn welcher wehte ...
Die "menschliche" Gestalt der Vogelscheuchen soll sich übrigens auch mancher Bauer dann zunutze. gemacht haben, falls mal keine gefiederten, sondern echte Räuber auf den Feldern unterwegs waren: Er verkleidete sich selbst als Scheuche und erschreckte manchen Dieb zu Tode. Aber man brauchte halt viel Geduld und mußte lange genug ruhig stehen, nicht mal ein Pfeifchen durfte man dabei rauchen ...!
Sowieso ging von denn Scheuchen auch etwas Magisches aus. Man sprach ihnen früher sogar allerlei "zauberhafte" Fähigkeiten zu: Schon beim Aufstellen der Strohmänner wurden leise Schutzgebete gesprochen mit der Bitte um Obhut und Hilfe und eine reiche Ernte. Auch erzählt man sich, daß damals kleine beschriftete Zettel mit heidnischen Sprüchen heimlich in die morsche Jackentaschen der Vogelscheuchen gesteckt wurden, die um gutes Wetter buhlten, Petrus wohl zu stimmen versuchten...
Dennoch, Vogelscheuchen sind wieder "in". Heute dienen sie nicht mehr zum Verschrecken, wohl mehr zum Verschönern. Sie schmücken Vorgärten, Hauseingänge, Büros oder in verkleinerter Form auch Blumentöpfe. Manche scheinen von diesen schlampigen Lumpengesindel aus Holz und Stroh fasziniert zu sein.
Aber man verfalle ja nur nicht dem Glauben, damit Vögel verscheuchen zu können ! Selbst teure elektronische Varianten scheitern an der Intelligenz der Vögel, ähnliches soll auch für die Modelle zutreffen, die für oder besser gegen Mücken oder Wühlmäuse verkauft werden ...
Da muß man schon "stärkere Geschütze" auffahren. Das einzige, was sicher Wirkung zeigte, waren die Ende des 19.Jahrhunderts vor allem in kleinen Betrieben in Zella-Mehlis gebauten "Weinbergpistolen" und "Starenschreck"-Abschußgeräte, eine Art einfache Schreckschußapparate als Vorderlader für Schwarzpulver (Böller) und später mit einfachen Verschlüssen für Platzpatronen ...
Aber
es gibt auch noch richtige Krautpopel: hier in Königswalde ist dieses Jahr (2013) endlich wieder ein echter Krautpopel aufgetaucht. Einfach herrlich, wie er da steht und "seine" Mirabellen bewacht ! Ich habe ihn Columbo genannt, wegen dem tollen Trenchcoat ! Peter Falk wird es mir verzeihen...
Eine
schöne "Sammlung" von Vogelscheuchen haben wir auch in Österreich
gefunden: in Rennweg am Katschberg stehen sie einladend am Ortseingang
und vertreiben bestimmt keine Touristen ! |
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Glück Auf !
Wolfgang SüßJuli 2003
aktualisiert Sept.2013 und März 2014