Königswalder Spitznamen

 

De Wätätä, dr Astel-Paul, dr Augustin, de Kokosnuss, dr Zacherlin ... wer kennt nicht den Kehrreim der Buchholzer Nationalhymne. Die Mitglieder unseres Schnitzvereins nahmen die dazu von Fritz Kube gezeichneten Buchholzer Originale als Vorlage für ihre eine Gemeinschaftsarbeit im Herbst 2000. Für mich waren sie Anregung, einmal über die Spitznamen in unserem Ort nachzudenken.

Spitznamen entstanden besonders in den letzten 2 Jahrhunderten in unseren erzgebirgischen Dörfern durch den starken Anstieg der Bevölkerung. Die damit einher gehende häufige Namengleichheit ist eine der wichtigsten Ursachen für eine solche Veränderung oder Erweiterung des eigentlichen Familiennamens. Charakteristische Eigenschaften, die örtliche Herkunft, der Vorname des Vaters und der ausgeübte Beruf sind die am häufigsten vorkommenden Veränderungen des Familiennamens zum Spitznamen. Natürlich spielt auch der Humor eine gewisse Rolle, doch ist es falsch Spitznamen generell ins lächerliche zu ziehen oder gar als Spottnamen zu bezeichnen oder zu verwenden. Es sind Kürzel für die eindeutige Bezeichnung/Nennung einer Person in der tagtäglichen Umgangssprache eben bei gleichem Familiennamen bzw., Vor- u. Zunamen – auch wenn der Name durch diese Zusätze oder Veränderungen viel länger als vorher wird, erspart man sich doch eine ganze Menge Erklärungen wer nun eigentlich gemeint ist !

Oft ist es so, dass der (richtige) Name des Erbauers/Gründers/Besitzer eines Bauernhofes, Haus oder Geschäftes direkt auf das Gebäude und die Familie übergeht und allen Nachkommen diesen Namen als Spitznamen aufprägt. Hierzu einige Beispiele:

Michael Heyn > Heymichel u. Heymichel-Schuster, Traugott Richter > Richtertraugott (Meier, Otto ; Meier, Herbert ...), Gottlob Nestler >Hammerlob (Hammerwerksbesitzer),

Herrmann Zschök > Zschök-Schuster (Walter Pöttrich), Gabriel Wagler >Gabriel-Karl (Karli Wagler), Aselt-Hans-Guid (Guido Nestler), Schenklob-Martin (Martin Meier), Gut-Wern (Werner Kreher), Schubert-Görch (Schönherr).

Manchmal ist es nur der Vorname eines Vorfahren, der als Spitzname faktisch zum Familiennamen wird: Joseph wird im böhmischen meist abgekürzt zu Sepp oder Pepp (Gerhard Wolf) im erzgebirgischen zu Goseff (Goseff-Gut) und die Doffelschänk’ müsste man eigentlich Toffelschänke schreiben, sie soll ihren Namen von einem ehem. Besitzer mit Vornamen Christof (Herrmann) haben. Tommes kommt von Thomas.

Der bei uns sehr seltene Vorname Salomon ist Ursache für den Spitznamen Salemaa. Ob es in der Familie Herrmann selbst einen Salomon gegeben hat, wäre noch zu erforschen. Möglich ist auch, dass eine bedeutende Person, wie z.B. der hier 1697 bis 1730 als Pfarrer oder Kantor eingesetzte Salomon Eckstein, vielleicht dort gewohnt hat (spätere Salemaa-Fleischerei).

Die häufigsten Spitznamen sind die, wo der Familien- oder Rufname mit der Bezeichnung des eigenen Berufes/Tätigkeit oder der eines Vorfahren ergänzt wird: Mützen-Hahn, Reitschul-Hahn, Hahn-Schmied. Löbelschuster-Willy (Willy Mauersberger), Schachtel-Fritz (Fritz Schreiter, hat viele Jahre in Heimarbeit Schmuckschachteln gefertigt), Quärkel-Malz (ehem. Molkereiwarenhandlung) oder Boten-Mann ergibt im erzgeb. Buutnmaa (Ernst u. Erhard Pöttrich), Bierbalzer entstand aus der ehem. Bierhandlung Hermann Balzer (Bierbalzer-Haus, Bierbalzer-Otto = Otto Meyer), Hober-Siegel (jetzt H.Wähner-ehem. Getreidehandel)
Beim Wahner-Karl-Gottwald (Gottwald Müller) war ein Vorfahr Stellmacher (also Wagner oder Wagenbauer) , der Wahner-Man (Hermann Nestler) war selbst einer, na und dann gab’s noch einen Schandarm-Paul , ne Nachtwachter (Max Malz), einen Linksanwalt, ne Milichpanscher, de Post-Ilse, Stroßnwarter-Anna, Hei-Schneider-Max, beim Neckermann gab‘s (fast) alles zu kaufen, dr Gurken-Klaus war Hobby-Gärtner, der Mathe-Lehrer wurde zum Cosinus und der unermüdliche Kartenspieler zur Schreiter-Hax.

Lang ist die Liste der "Abkürzungen" für Inhaber von Geschäften, Läden, Handwerker usw., von denen ich nur einige Beispiele anführen möchte: Kohlen-Reuther, Luus-Liesl, Konsum-Pöttrich, Richter-Bäck, Loos-Wahner, Hei-Karli usw.

Wegen Namensgleichheit wird aus 2x Max Bräuer dr Tobak-Max und dr Strumpf-Bräuer, der eine, weil er schon seit seinem 4.Lebensjahr geraucht haben soll (?), der andere war Strumpffabrikant. Mit Steig-Pöttrich, Pöttrich-Lieb, Pöttrich-Hilf und Pöttrich-Sann werden mehrere Familien Pöttrich auseinandergehalten.

Manchmal wird auch Standort oder Bezeichnung des Wohn- oder Geburtshaus Grundlage für einen Spitznamen: Gottel-Häusl-Hans (Hans Pollmer -Auszugshaus neben der Gottel-Mühle), Kaffeeheim-Otto (Otto Meier aus dem ehem. Café "Heim"), Villa-Hans (Hans Nestler), Neie-Haus-Hermann, Ottmühl-Bruno, Rotsgerichter-Otto, Brattmühl-Hermann und Heisl-Meier sind hier als Beispiele zu nennen.

Natürlich werden auch gerne lustige Begebenheiten oder typische Aussprüche gleich ‘mal in einen Spitznamen umgewandelt z.B. beim Sackschneider (Walter Breitfeld) oder aus jüngerer Zeit: Kaffeetippl (B. Meier - wie wachst ihr eure Schneeschuh - na mit’n Kaffeetippl), dann noch dr Eisen-Heinz un dr Wast-halt.

Auch persönliche Eigenschaften kehren in Spitznamen wieder: Pfeng und Pudding, dr Blitz (Siegfried Gebhardt für seine Schnelligkeit beim Sturmleiterklettern), dr Toto-Erwin und dr Klaane Ott sind hier einzuordnen.

Einmalig ist die Bezeichnung des (Arbeits-) Duos Hartmann, Hans und Weiß, Hans als "Haftl un Schlingl".

Die örtliche Herkunft findet sich in Staadl-Langer-Hedwig (stammte aus Jöhstadt) oder beim Cunnersdörfer wieder.

Es ist selten, dass Spitznamen als Spottnamen verwendet werden. Soviel Feingefühl hat man wohl immer schon besessen, wenn es auch hierfür ein paar Beispiele gibt: Hammer-Baron (Paul Uhlig), Icke 2, Toppkluß-Walt, ...

Auch in unserer modernen Zeit werden Spitznamen vergeben, unsere Jugend ist da ganz erfinderisch und gar nicht zimperlich: de Inge, dr Oss, de Batsch, ‘s Affl, dr Blech, Kamilla, usw..

Manche Spitznamen sind so stark und prägend, dass man ihre Herkunft und meist auch den richtigen Familiennamen schnell mal vergessen kann oder überhaupt nicht kennt. Wie es einem langjährigen Arbeitskollegen von Günter Herrmann (Salemaa) erging: "Na Günt, du hast wuhl of dare Schnitzausstelling gar nischt miet ausgestellt, an kenn Mannl stieht Salemaa dra......"

Spitznamen haben in unseren erzgebirgischen Dörfern eine lange Tradition und sogar die Ortschaften selbst erhielten welche: Neudorf is de Supp, Grumbacher sei Mondputzer, Geyrische de Sandhusn, Kinneschwall nennt mr Schlaadorf (oder Demokratenbusch), de Jöhstädter sei Flackfrasser, Annebarger de Katkameler, de Mauersberger hasn Quarkstädter, de Crottendörfer sei Ziegnbaa, Schlettauer de Kirchn-Gesichter, in Neundorf wuhne de Starn, in Arnsfald de Stoppelhopser, Markersbach is de Miebe, in Scheimbarg gibts de Basaltnischeln usw. usw.

Natürlich kann eine solch kleiner Abriss über die Spitznamen in unserem Dorf nicht vollständig sein und bestimmt werden uns schon beim Durchlesen noch andere Namen einfallen oder Geschichten und schöne Erinnerungen an den einen oder anderen wachrufen.
Manche Spitznamen, die sich wirklich nicht für die Veröffentlichung in so einem mehr heimatgeschichtlichen Beitrag eignen, wurden verständlicherweise bewusst weggelassen.

Ebenso ist die Schreibweise von Spitznamen ein Problem für sich - wann wurden Spitznamen schon niedergeschrieben - eigentlich existieren sie nur in der täglichen Umgangssprache im Dialekt unseres Dorfes.

Am Schluss noch ein paar Spitznamen, einfach als Aufzählung, die die Vielfalt der Spitznamen in Königswalde nochmals verdeutlichen soll: Müllerlieb, Lober-Gott, Wasserhansl, Wurschtfett-Tilo, Winkelbauer, Schnadelbach, Toffel-Schneider-Kurt, Anerees-Beyer-Otto, Beitler-Felix, Viezmichel, Milich-Arno, Tommes-Tischer-Thieler-Meier-Otto, Krehschuster, Webertoffel, Ehmichel (oder Ölmichel ?), Holzengel-Gebhardt,Schaller-Gut, Müller-Topp, Schrut-Ottl, Schumann-Lob, Halieb, Münchhausen usw.

Ich habe mich gefreut, daß der Beitrag im Dorfblatt/Juni 2000 soviel Zuspruch gefunden hat (und Beschwerden gab es auch keine). Ich bedanke mich bei allen, die beim Sammeln dieser Namen halfen, stellvertretend beim Richter-Gotthard, der mir eine ganze Liste mit Namen/Spitznamen gegeben hat, die heute zusammen mit anderen noch ergänzt werden können: Nieselpriem, Drackbaumel, Schuster-Lieb, Stümpel-Lob, Mäne-Gust, Hie-Ha-Heinrich, Doppelarsch, Edelmaa-Oswald, Mahlflack-Rudolf, Ehregott-Tischler, Emil-Fried‘, Tafelt-Bruno, Galaun, Pelle, Büttner-Schuster, Schmalzgrübner-Linna ...
Am Ende noch ne Dodo-Erwin sei Lieblingsspruch: "alle Weiber wosn Wally haßn – schiene Weiber sei..."

Wolfgang Süß

7.Juni 2000/24.6.2013

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