“Der Tscherper”

- das Bergmanns Messer

Viele werden mit diesem Ausdruck nicht viel anfangen können.
Schon bei der Schreibweise gehen die Ansichten auseinander:
Tscherper, Scherper, Schärper, Tschärper oder auch Tzscherper !
Im Duden findet man unter Tscherper, =(Hau)messer, Bergmannssprache/veraltet: kurzes Messer.
Es ist eine typische alte Bezeichnung aus der Bergmannssprache, die der Bergmann für sein Messer gebraucht, das er als universelles Werkzeug immer mit sich führte.
Schon 1699 erwähnt es Christian Lehmann im seinem S
chaupatz der natürlichen Merkwürdigkeiten: „… mit seinem grubentscherper versuchte er den ast entzwey zu schneiden…“
Andere
Chronisten beschreiben es als kurzes Stechmesser, das die Bergleute führten, um das Gezimmer zu „bestechen“, zu prüfen.

Jeder Bergmann hatte ein Tzscherpermesser und es war wohl sogar vorgeschrieben. Noch 1850 heißt es in einer Verordnung des Bergamtes Clausthal ausdrücklich: „da aber nicht jeder Bergmann eine Axt oder Bahrte führt, so hat sich jedoch ohne Ausnahme jeder Einfahrende mit einem Schärper in guter Scheide zu versehen ...“
Das Tscherpermesser war genau so wichtig wie Feuerstein und Zunder, Unschlitt (Talg) und Docht, die er für sein Geleucht in der Tscherpertasche vorn Gürtel immer bei sich hatte.
Der Tscherper wurde für das Säubern seines Geleuchtes, für kleine Reparaturen an seiner Ausrüstung und zum Anritzen der Erzgänge benutzt, als erste Probe, ob es Erz ist oder taubes Gestein. Er brauchte es zum Prüfen des hölzernen Stollenausbaus. Durch Hineinstechen mit dem Tscherper überzeugte man sich von der Festigkeit. Von außen konnte das Holz noch völlig gesund aussehen, wenn es in der dauernden Feuchtigkeit des Schachtes innen schon verfault war.
Auch zum Herrichten der Bergeisen brauchte man den Tscherper. Die keilförmigen „Eisen“ wurden einfach auf einen hölzernen Stiel
,"das Helm", gesteckt und mit dem „Schlägel“, dem Hammer, ins Gestein getrieben. Etwa ein Dutzend Eisen „verschlug“ der Bergmann in einer Schicht. War eins stumpf, wurde ein neues Eisen auf den Stiel aufgesteckt. Mit dem Tscherper wurde der Stiel, meist ein einfacher Fichtenast, passend zugerichtet.

Unentbehrlich war das Tscherpermesser auch zum Einziehen neuer „Hespen“ (Sprossen) in die „Fahrten“ (Leitern) im Schacht, über die die Bergleute einstiegen und am Ende ihrer Schicht wieder heraus. Wenn eine Sprosse durchgetreten wurde, war jeder verpflichtet, sofort eine neue einzusetzen, um diese Unfallgefahr zu beseitigen und zu verhindern, dass ein nachfolgender Bergmann ins Leere trat und in die Tiefe stürzen konnte !
 Neue Sprossen lagen meist auf den Zwischenbühnen bereit. Sie mussten mit dem Tzscherper nur noch etwas angepasst werden:  „…um bei augenblicklicher Entbehrung einer Axt oder einer Barte mit Hülfe dieses Messers die Einziehung einer Sprosse doch wohl bewerkstelligen zu können."

Natürlich benutzten die Bergleute den Tscherper nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im alltäglichen Leben. Zum Vesper wurde damit "gegen den Daumen" das Brot abgeschnitten, wie wir es noch von unseren Großvätern kennen, wenn gleich auf dem Feld draußen gegessen wurde und es wohl keinen Mann gab, der nicht ein Taschenmesser einstecken hatte !

Doch wie sah so ein Tscherpermesser wirklich aus ? Auf den Bergaufzügen tragen es alle Bergmänner am Gürtel vorn an ihre Tscherpertasche an der rechten Seite. Doch sicher haben auch diese Messer ebenso wie Barte und Steigerhäckchen eine Entwicklung von der Waffe (Barte) oder Werkzeug, hin zum stilisierten und verzierten Ausrüstungsutensil der Parade-Bergmannstracht durchlaufen und nur noch recht wenig mit dem ursprünglichen Messer zu tun.
In Georgius Agricola (1494-1555) „12 Bücher vom Bergwerk“ sind zwar alle Werkzeuge der Bergleute der damaligen Zeit detailliert abgebildet, aber ausgerechnet der Tscherper fehlt.
Auch die Bergleute auf seinen Bildern tragen weder Tscherper noch Tscherpertasche ???

Es wird oft als „ kurzes feststehendes Messer mit gerader Schneide“ beschrieben
  (ca. 1300-1350). Auch nach den archäologischen Berichten über Messerfunde in Ost- und Mitteldeutschland „sind Klingenformen mit gebogenem Rücken und gerader Schneide im gesamten Mittelalter stark verbreitet ... die Klingenlänge lag unter 11 cm. Es waren Messer, bei denen ein Griff aus Holz, Horn oder Bein auf einer Angel aufgesteckt ist“.
Vielleicht so ähnlich wie diese 2009 in einer Internetauktion angebotenen Tscherpermesser.

Tscherper-Messer aus Auktion

Aber es gab auch den großen Tscherper, der in alten Schriften meist als "langer Czerper" beschrieben wird. Der lange Tscherper war Waffe und auch Standessymbol höherer Bergbeamter. Auf vielen frühen Darstellungen von Bergleuten aus dem 16. und 17.Jahrhundert tragen diese einen langen Tscherper. Wir finden ihn auf dem Annaberger Bergaltar und Skulpturen, wie die Kanzelträger in der St. Wolgang Kirche Glashütte, im Freiberger Dom und geschnitzten Bergleuten im Bergbaumuseum Freiberg aus dieser Zeit.

Der Tscherper war das Allzweckmesser des Bergmanns, das als Werkzeug, zum Essen und auch als Waffe für den Notfall dienen konnte. Es hatte eine kräftige geschmiedete Klinge mit einem abgesetzten Erl/Angel, der mit Birkenpech in einen geschnitzten Holzgriff oder einen hohlen Knochen eingeklebt wurde.

Einen weiteren Hinweis fand ich im Bericht über den in Ehrenfriedersdorf 1508 verunglückten Bergmann Oßwald Barthel, der erst 60 Jahre später wieder aufgefunden wurde. Als „Lange Schicht von Ehrenfriedersdorf“ ist sein Schicksal in die Geschichte eingegangen. Wahrscheinlich durch arsenhaltige Dämpfe und Grubenwässer war sein Körper und seine Ausrüstung komplett konserviert worden, dass auch nach dieser langen Zeit alles gut erhalten war. In dem Bericht über seine Auffindung 1568 ist zu lesen, dass er „mit einem Grubenzscherper und einer Unschlitt-Tasche umgürtet“ war und dass der Griff des Tscherpermessers „mit Blei begossen“ (umgossen) war.
Tscherper 1697
Die Abbildung „Griff eines Bergmannsmessers - 1697“ in Spamer „Deutsche Volkskunst-Sachsen“ (1954) zeigt ein Tscherpermesser mit einem gravierten Griff aus Bein aus dem Kreismuseum Zwickau.

Ende Nov. 2014 hat mir Herr Jochen Brennecke aus dem Sauerland Bilder von zwei originalen Tscherpermessern zur Verfügung gestellt, die wahrscheinlich aus dem Harzer Bergbaurevier aus der Zeit um 1800 stammen. Sie weisen die typischen Merkmale dieser Messer auf:  kurze feststehende Klinge mit gerader Schneide und  gebogenem Rücken, Klingenlänge unter 11 cm, Griffe aus Holz auf einer Angel aufgesteckt und am Griffende vernietet ...
Eben richtige Messer für den täglichen (harten) Gebrauch, Klingenstärke 4,5 mm!!! Und natürlich handgeschmiedet, alles Einzelstücke!

     

Mein Zschärper, scharf und gut,
Du schneidest Brod und Eisenhelm,
doch auch in Feindesblut.

Wer sich der Haut nicht wehren mag,
ist nicht von ächtem Knappenschlag !

Ernst Frege
aus
M. Döring Sächische Bergreyhen (1839)

Glück Auf !
Wolfgang Süß

Jan. 2015

 

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