"Der leichte Gang der Pyramide"
Auch in der diesjährigen Vorweihnachtszeit werden bestimmt wieder viele unserer Schnitzer und Bastler ihr Werkzeug hervorholen, nicht nur um zu schnitzen, sondern auch um für sich oder zum Verschenken einen Leuchter oder eine Pyramide zu bauen.
Paul Ullmann aus Schneeberg veröffentlichte unter obiger Überschrift in den 20iger Jahren in der Vereinszeitschrift des Verbandes Erzgebirgischer Bildschnitzer, dem "Schnitzer und Bastler", seine Erfahrungen und Vorschläge zu diesem Problem.
Ja, da hat er schon recht, daß einem das ganze Weihnachten verdorben werden kann,
wenn sich d' Peremett net drehe will ...
"Mancher wills mit Gewalt zwingen und steckt Lichter über Lichter auf, doch alles vergebens. Er tippt immer und immer wieder mit den Fingerspitzen die Teller vorwärts, aber wenn man schon denkt, itze hots geschnappt, da sitzt das Ding gleich wieder fest. Das wäre ja nicht schlimm, wenn man sich nicht vor den lieben Nachbarn und Gevattern blamieren würde, und nicht ihre schadenfrohen Witze einstecken müßte. Der Ehrgeiz kann sich da manchmal zur Wut steigern und da ist es kein Wunder, wenn so mancher Hausvater zum Radikalmittel gegriffen hat, nämlich die Holzhacke, daß die Leistchen, Stäbchen und Brettchen nebst allem Flimmer in der Stube herumflogen, bis endlich das herrliche Bauwerk in armseligen Trümmern zu Boden lag wie einst der Turm zu Babel.
Es wird immer ein Problem bleiben, welches die rechte Art ist, der Pyramide, in der Schneeberger Gegend Laufleuchter genannt, einwandfreien leichten Gang beizubringen. Es werden viele Methoden angewandt, die sich zum großen Teil bestens bewährt haben. Man kann sagen, daß jeder Pyramiden-Bastler darin seine eigene Manier hat...
Unsere Pyramide erhalten ihre Bewegung durch die Kraft des Lichtes, was bei Fremden, die zum ersten Male im Erzgebirge weilen, gewöhnlich großes Erstaunen hervorruft. Schon die alten Drehtürme, die Vorgänger unserer Pyramiden waren auf das einfache Naturgesetz aufgebaut, daß die vom Licht erzeugte Wärme nach oben steigt, indem die auf der Spitze einer Spindel befestigten Flügel durch den Stoß der Wärme seitwärts gedrückt werden und so die Drehung erzeugen. Die senkrecht stehende Spindel muß einen Halt haben, wobei es aber auf möglichst geringe Reibung ankommt. Hier liegt der wunde Punkt. Die Spindel muß an ihrem Fuße so beschaffen sein, daß sie sich, auf eine ebene Unterlage gestellt, leicht um die eigene Achse drehen kann. Die Unterlage besteht gewöhnlich aus Glas, zuweilen auch aus hartem Metall. Vielfach befestigt man an der Spindel einen Metallstift, der von einem durchbohrtem Metallstreifen geführt wird. Gut geeignet ist das Ende einer Stricknadel. Der Stift muß aber ganz gerade stehen, sonst eiert er. Wenn die Spindel aus Metall ist, läßt man gewöhnlich das Ende in scharfer oder stumpfer Spitze auslaufen. Die allzu scharfe Spitze hat aber den großen Nachteil, daß sie sich bald in das Glas eingräbt und infolgedessen Reibung findet. Empfehlenswert ist es, die Spitze kugelförmig abzurunden. Je glätter, desto besser. Zuweilen sieht man auch, daß die metallene Unterlage eine Versenkung hat, in welcher die zur Körnerspitze ausgebildete Spindel ruht. Dazu gehört aber präzise Arbeit.
Ich empfehle eine ganz einfache Form dergestalt, daß statt des Stiftes eine Kugel aus gutem Metall (aus einem alten Kugellager) an der Spindel befestigt wird, was bei hölzerner und hohler Spindel sehr einfach ist. Ich bediene mich selbst eines noch einfacheren Verfahrens, das überdies im Handumdrehen herzustellen ist. Nimm ein Stück hohles Glas, am besten die Bodensenkung eines zerbrochenen Weinglases, lege in die Höhlung eine Kugel. Die Kugel hat das Bestreben, an der tiefsten Stelle liegen zu bleiben. Setze sodann die Spindel, in welche die Kugel vorher eingepaßt ist, auf die Kugel. Das ist so einfach, vor allem brauchst du unten kein Führungsblech und erspart außerordentlich viel Reibung, denn die Kugel verharrt auf dem einmal gefundenen tiefsten Punkte. Der Glasscherben wird zweckmäßig in eine feste Unterlage aus Holz eingebettet. Aber nur bestes, möglichst glattes Glas wird dich befriedigen. Versuchs einmal.
Oben im Hals wird die Spindel gewöhnlich geführt von einem Metallplättchen. Dünnes festes Blech ist einer dicken Eisenplatte vorzuziehen wegen der viel geringeren Reibung. Das Führungsloch darf der Spindel nur ganz geringen Spielraum lassen, sonst schleudert diese beim drehen hin und her und verursacht ein Klirren. Außerdem hemmt das die Drehung sehr. Manche benutzen statt des Führungsplättchen den Hals einer gut passenden Flasche, wenn die Innenfläche ausreichend glatt ist. Der Gedanke ist nicht zu verwerfen.
Selbstverständlich ist, daß der ganze Bau nicht schief steht. Das häßliche Werfen der Teller ist oftmals die Ursache der Betriebsstillegung und kommt besonders bei großen und mehrstöckigen Pyramiden vor. Dann hat sich wohl die Spindel krumm gezogen. Eine gut ausgerichtete kerzengerade Spindel erspart viel Ärger und Verdruß. Vermeide es auch, die Spindel mit allen möglichen Umbauten zu versehen. der freie Durchblick soll nicht gehindert sein und du hast es leichter bei einer eintretenden Störung.
Die Flügel sind ein Kapitel für sich. Geschmackvoll sind sie nicht immer. Flügel aus Blech oder Aluminium solle man nie verwenden. Das schönste Bauwerk kann dadurch erheblich leiden. Man nimm leichte feste Pappe, beiderseitig mit Papier beklebt, um des Krummziehen zu verhindern. Schönes tiefblaues Papier, mit nicht zuviel Sternchen besetzt. Die Flügel brauchen nur wenig über den äußeren Lichterkreis hinauszuragen. Sie brauchen auch nicht zu breit zu sein, daß sie ineinandergreifen ..... der Flügelkranz ist eigentlich unser technisches Hilfsmittel. In der Vorstellung unseres erzgebirgischen Gemüts aber ist es der blaue Himmel, der sich über die Lichterpracht und die Herrlichkeit breitet, über die kleine Welt, deren Beschauen unser Herz und Auge in der Weihnachtszeit so froh macht. Wenn du die Lichter anzündest, wenn deine kleine Welt lebendig wird, dann schau in die Augen deiner Kinder, und laß ihren Glanz in deinem Herzen aufleuchten ! Fröhliche Weihnacht !
Ein wirklich herrlicher Artikel, der neben den vielen kleinen Tips, die natürlich auch heute noch gelten, so eine wunderbare Weihnachtsstimmung vermittelt.
Was wäre noch hinzuzufügen: Für kleine Tisch- und Wandpyramiden nimmt man heute einfach die "Spitze" einer alten Kugelschreiber-Mine, die man in die Pyramidenwelle einsetzt, und als Gegenlager die handelsüblichen Glasnäpfchen. Natürlich muß man die Kugelschreiber-Minen vorher mit Spiritus auswaschen. Mit Wärme läßt sich die Schreibflüssigkeit auch entfernen, nur muß man aufpassen, daß man dabei die gehärtete Kugel nicht ausglüht.
Für große Pyramiden ist wirklich nur die schon beschriebene Lösung mit einer Kugellagerkugel Ø6...8 mm zu empfehlen, wobei auch eine ebene Glasplatte als Gegenlager (mit einem Führungsblech) dienen kann. Auch ein Teilstück von einem äußeren Ring eines größeren Kugellagers (mit dem Trennschleifer herausschneiden, nicht ausglühen) bringt den gleichen Erfolg wie ein konkaves Glasstück.
Wenn man ein wirklich gutes harzfreies Öl zur Verfügung hat, kann man die Reibung an der Pyramidenlagerung auch damit verringern und einen besseren Lauf erreichen. Billiges Öl verharzt schnell und man hat maximal "eine Saison" Freude damit bzw. vor dem nächsten Winter die Pflicht der Reinigung.
Nun noch ein "Geheimtip" für die obere Lagerung der Pyramidenwelle: eigentlich hatte ich erwartet, daß schon in dem alten Artikel darauf verwiesen wird, denn es ist keine neumodische Erfindung, eher eine etwas rustikale. Also wer das Klirren und Klappern des oberen Pyramidenlagers in der weihnachtlichen Stille wirklich nicht mehr hören kann, der nehme einfach ein Stück Speckschwarte, bohre oder steche ein Loch hindurch und setze es anstelle des vorhandenen Bleches dort ein. Ein billigeres, besseres und selbstschmierendes, elastisches, niemals klapperndes Lager gibt es an dieser Stelle wohl nicht !
Viel Spaß beim Basteln !
Wolfgang Süß