Steine am Wegesrand
Als ich meine neue Wanderkarte zu Hause ausbreitete, fiel mir sofort etwas auf, was ich nicht recht glauben wollte - ein Druckfehler, war mein erster Gedanke. Da ist doch an der Jöhstädter Straße, oben im Wald direkt an der linken Straßenseite das Symbol für "ein Denkmal" eingezeichnet. Was soll dort nur für ein Denkmal stehen ?
Aber um sicher zu gehen, erst mal raus an bezeichneter Stelle, und wirklich, genau wie eingezeichnet, steht dort am linken Waldrand etwa auf halber Strecke bis zum Abzweig Grumbach, im Scheitelpunkt der langgezogenen Linkskurve, ein großer aufgerichteter Stein, über 1,50 lang, ca. 1m hoch und macht schon einen imposanten Eindruck, aber ein Denkmal ? Es ist keine Inschrift, Zeichen oder Jahreszahl an ihm zu finden. Nur ein Loch von etwa 8 cm Durchmesser auf seiner Stirnseite gibt vielleicht einen Hinweis, daß dort einmal eine Tafel, Platte o.ä. angebracht war. Ich habe schon viel herumgefragt, bisher aber niemand gefunden, der etwas darüber weiß, welche Bedeutung dieses steinerne Denkmal einmal hatte.
Nun ist so ein steinernes "Denkmal", ein aufgerichteter Stein mit einer Inschrift, einer Jahreszahl u.ä. an sich ja nichts besonderes. Geht man mit offenen Augen durch unsere nähere Umgebung findet man viele Beispiele.
Auch auf der Brettmühle steht am Waldrand, hinter dem Haus Nr. 12, ein ca. 1x1m großer Stein. Seine Inschrift "Agbt. 1915" verrät uns, daß der dahinter stehende Wald 1915 angepflanzt wurde. Auf einer Karte ist er aber nicht eingetragen.
Entlang der alten Hauptwege u. Schneisen oben in unserem Ratswald finden wir viele interessante Grenzsteine, die die einzelnen Waldparzellen (Jagen) bezeichnen. Sie sind durchlaufend numeriert aber recht unterschiedlich gestaltet: Vom Conduppeltal beginnend, den Waldwiesenweg hinauf, steht eine "erste" Type. Mit den Sachsenschwertern auf der Vorderseite und der Nummer 1 beginnend bis zur 20, oben auf der Jöhstädter Höhe. Sie stehen in sehr unterschiedlichen Abständen. Manchmal nur 20, dann 30, 50 Schritt auseinander.
Zwischendurch findet man immer wieder Steine, die zusätzlich mit einer Jahreszahl versehen sind . Die fortlaufende Nummer steht dann auf der Seite, hinten oder darunter, manchmal steht noch ein "N." oder "No." davor. Die unterschiedliche Gestaltung und "Handschrift" zeigt, daß die Steine von verschiedenen Personen, vielleicht sogar an Ort und Stelle aus den überall im Wald vorhandenen Steinen gehauen wurden ?
Oben im Ratswald, an dem parallel zur Schachtstraße verlaufenden Weg, steht eine zweite Type solcher Grenzsteine. Sie haben eine Krone auf der Vorderseite, manchmal noch die Sachsenschwerter auf der Rückseite, sind ebenfalls durchgehend numeriert und stehen wieder in sehr unterschiedlichen Abständen. Einige Steine mit einer zusätzlichen Jahreszahl.
Ab 1748 sollten die vielen Grenzstreitigkeiten durch das Setzen von Grenzsteinen vermindert und die Waldgrenzen eindeutig markiert werden. Die Kennzeichnung erfolgte auf Steinen mit den sächsischen Kurschwertern und ab 1806 mit der Königskrone, der jeweiligen Jahreszahl und der laufenden Nummer.
Weiter in Richtung Mildenau kommt noch eine dritte Type hinzu. Diese Steine haben nur die fortlaufende Nummer auf der Vorderseite, hinten ein Kreuz in der Form des Eisernen Kreuzes. Sie haben die höchsten Nummern und sind die jüngsten, wie man an den Steinen erkennt, die zusätzlich noch mit einer Jahreszahl und einem zusammengeschriebenen "AB" versehen sind. AB steht für AnnaBerg, für Annaberger Ratswald.
Am neu angelegten Unteren Marksteig hinauf finden wir große Grenzsteine, die die Flurgrenze zwischen Annaberg und Königswalde markieren. Sie sind mit einem K für Königswalde und A für Annaberg versehen. Weiter in Richtung Himmlisch Heer, an der ehemaligen oberen Bahnlinie steht dann sogar ein dreieckiger Stein mit A, K, und C für Cunersdorf.
Geht man durch unseren Ort, finden wir in vielen älteren Gebäuden im Sturz oder Schlußstein über der Haustür die Angabe der Jahreszahl vom Bau oder Umbau des Hauses und die Initialen des Bauherrn. Auch im Dachstuhl vieler Häuser oder Scheunen verewigte sich so mancher Zimmermann mit Namen und Jahreszahl. Eine schöne Tradition, die leider schon lange verschwunden ist und heute denkt man nur manchmal noch bei der Restaurierung denkmalgeschützter Gebäude an solche schönen Kleinigkeiten.
An der Ufermauer der Pöhla, unten am ehemaligen Kunzewehr hat sich Emil Kunze mit der Inschrift "E.K. 1926" verewigen lassen.
Mit der Pöhlaregulierung wurden damals auch die Wehre und Einläufe zu den Mühlgräben erneuert.
Für solche Jahresangaben hatte man früher einfach mehr Sinn und Zeit. So findet man an der über 6 m hohen Stützmauer an der Straße nach Kühberg, gegenüber vom Holzplatz an der Blauen Maus nicht nur die Jahresangabe 1902 in einem stempelförmigen runden Stein, sondern die Bauleute nahmen sich noch die Zeit einige große hervorstehende Steine mit Köpfen zu verzieren. Man entdeckt einen Schlangenkopf, 2 Fische, einen Vogelkopf, einen Hund, den Kopf eines bärtigen Mannes ...
Auf einem sehr großen Stein im Fuß der Mauer steht in erhabener Schrift "Erbaut 1902", geschmückt von Eichenlaub und einem Herz unter der Jahresangabe.
Diese große Stützmauer war beim Bau der Talstraße nach Kühberg und Bärenstein notwendig geworden. Die Straße wurde am 13.12.1902 freigegeben.
Glück Auf !
Wolfgang Süß
März 2002
Nachtrag: Um 1600 kosteten Grenzsteine mit eingemeißeltem Wappen je 9 Groschen. 1632 wurden beispielsweise einem Rochlitzer Steinmetz 15 Groschen je Stein bezahlt und ab 1660 kostete ein Grenzstein 20 Groschen. Das entspräche heute etwa 50 Euro.