Eisenbahnträume …
Wer die Geschichte zur „Vermessung“ der Grumb'scher
Eisenbahn gelesen
hat findet hier in diesem Bericht fast noch eine
Steigerung ! Also, was sich zu damaliger Zeit die Jöhstädter Stadtväter für eine Variante einer Bahnverbindung Jöhstadt-Annaberg ausgedacht und auch ernsthaft in Angriff genommen hatten, das kann man heute kaum glauben, mutet es doch fast wie ein April-Scherz an, was da im „Tageblatt Annaberger Wochenblatt – TAW“ vom 31.Mai 1928 darüber zu lesen ist: |
Jöhstadts Verkehrswunsch von 1898:
Eine elektrische Bahn Annaberg – Jöhstadt
"… in den
Tagen vom 24. bis 31. Mai 1898 waren in Jöhstadt mehrere
Geometer (Vermessungs-ingenieure) tätig, die in der
dortigen Flur umfangreiche Messungen für den geplanten Bau einer
elektrischen Bergbahn Annaberg- Jöhstadt vornahmen. Natürlich
hatte sich in der Bevölkerung eine große Spannung bemächtigt,
sollte doch endlich der Wunsch nach einer schnellen Verbindung
mit dem Erzgebirgszentrum in Erfüllung gehen. Wenn man auch seit
dem 1.Juni 1892 die Bahnlinie (Schmalspur) Wolkenstein Jöhstadt
hatte, so war doch dieser Bahnweg immerhin in Richtung Annaberg
ziemlich umständlich. Für die projektierte elektrische
Zahnradbahn, die durch das Konduppelbachtal Ober-Königswalde
erreichen und den Osthang des Pöhlberges in Richtung nach dem
heutigen Oberen Bahnhof von Annaberg erklimmen wollte, war ein
Kraftwerk im Pöhlatal vorgesehen. Wie bekannt, ist trotz
umfangreicher Vorarbeiten dieses Projekt nicht zur Ausführung
gelangt. Rund 15 Jahre gingen seit diesen spannenden Maitagen
1898 ins Land, als der „Kraftverkehr
Freistaat Sachsen AG“ mit großen Autobussen auf einfachste Weise eine
schnelle Verbindung zwischen Annaberg und Jöhstadt über
Königswalde schuf (1913). Dieser Kraftverkehr hat nun im
vollem Maße dem damals sehr akuten und berechtigten
Verkehrswunsch der Jöhstädter Rechnung getragen und hat als
Ersatz für die geplante elektrische Bahn eine
Autobus-Überlandbahn geschaffen, die sich regster Benutzung
erfreut.“
Also, so stand’s damals in der
Zeitung!
Dabei waren die Bemühungen der Jöhstädter Stadtväter schon irgendwie verständlich: Mit der Eröffnung der Kleinbahnstrecke nach Wolkenstein war ab dem 1.6.1892 Jöhstadt offiziell mit der Eisenbahn erreichbar ! Deshalb war zum 30.Mai 1892 die Linie Annaberg - Jöhstadt der Postkutsche eingestellt worden. Nur noch eine „Ersatz-Postkutsche“ fuhr von nun ab täglich einmal auf dieser Strecke. Die Fahrt Annaberg nach Königswalde kostete 50 Pf., bis Jöhstadt 1 Mark (mit Rückfahrt 1,75) ! Von Annaberg bis Jöhstadt dauerte die Fahrt 2 Stunden 25 Minuten ! Am 1.Oktober 1901 fuhr sie zum letzten Mal !
Die Angst, den Anschluss an das Verwaltungszentrum Annaberg zu verlieren, und ins Abseits zu geraten, trieb die Jöhstädter also zum Handeln. Denn mit der Bahn über Wolkenstein nach Annaberg zu fahren, wollten sie ihren Bürgern wohl doch nicht zumuten!
Als ich diesen Zeitungsbericht zum ersten Mal gelesen habe, waren meine Gedanken, da muß doch mal ein Jöhstädter in der Schweiz gewesen sein … und was wäre das heute für eine Touristen-Sensation, wenn dieses Projekt wirklich gebaut worden wäre und die Zeiten überdauert hätte, heute diese Zahnrad-Bergbahn noch in Betrieb wäre. Nicht auszudenken, da könnten die Jöhstädter ihre Schmalspurbahn doch glatt vergessen – Königswalde wäre wohl zum Zermatt des Erzgebirges geworden ... !!!
Besten Dank an Reinhold Zahm, der diesen interessanten Zeitungsausschnitt im Preßnitztal-Museum in Niederschmiedeberg entdeckt hat !
Glück Auf !
Wolfgang Süß
29. August 2000